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Aus: Ausgabe vom 09.09.2024, Seite 11 / Feuilleton
Kino

Kein Leckerbissen

In »Something in the Water« beißen sich Haihorrorfilm und PTBS doch zu sehr
Von Norman Philippen
SomethingInTheWater_005.jpg
Haiflosse: Schillerlocke im Rohzustand

Eins, zwei, drei – im Kino wieder Hai. Kein Kind weltweit, das diesen Merkreim nicht kennte. Seit Steven Spielberg 1975 seinen großen Weißen mit riesigem Erfolg im Kino zeigte und damit eine »Jawsmania« bzw. »Weißer-Hai-Abzocke« (Spielberg) auslöste, wächst das Haihorrorgenre so unaufhörlich wie das damals geschaffene Image des Carcharodon carcharias als Killerhai (anders als die verfolgte Spezies selbst) unausrottbar erscheint. Vorhin sah ich eine sicher unvollständige Liste mit immerhin 149 Haitrashtiteln. Während Spielberg rückblickend nicht besonders stolz darauf ist, der Dämonisierung des Haifischs erheblichen Vorschub geleistet zu haben, plagen viele andere Regisseure offenbar keinerlei Gewissensbisse, dem Attribut Trash in immer seichtere Untiefen zu folgen. Könnte ja sein, dass ein Streifen mal wieder kein Spielberg wird, aber immerhin so scheiße gelingt wie 2013 »Sharknado« und zum »Kultfilm« avanciert.

Der britischen Regisseurin Hayley Easton Street ist kaum vorzuwerfen, mit ihrem Spielfilmdebüt »Something in the Water« das Urängste bedienende Bild vom blutrünstigen Monster wesentlich weiter auszumalen. Tatsächlich sieht man Haie darin nur ein bisschen, zubeißende Megakiefer gar gar nicht. Easton Street begnügt sich damit, dass eine der Protagonistinnen im Film – so wie der Haihorrorerfolg mit Jason ­Statham von 2018 – »Meg« heißt. Ansonsten aber ist »Something in the Water« in nahezu jeder Kategorie tadelnswert, mit der Filmkritik sich beschäftigt. Was offenbar eine subtile Genreerweiterung in Richtung einer generelleren Traumathematik werden sollte, wurde bloß zur tantraartig langatmigen, geradezu traumatisierenden Zuschauererfahrung. Dass Meg (Hiftu Quasem) in der Eingangsszene das Trauma eines homophoben Hassverbrechens verpasst wurde, ist entweder längst vergessen, bis der erste Hai einen Bissen Frau zu sich nimmt, oder man fragt sich, ob das Trauma­thema überhaupt für mehr taugt als die alberne Ausspracheszene mit ihrer Freundin Kayla (Natalie Mitson), die Meg am verhängnisvollen Abend begleitet hatte. Posttraumatische Belastungsstörungen und Haihorror beißen sich vielleicht zu sehr. Hier jedenfalls definitiv.

Der Rest der faden Story geht so: Meg und Kayla fahren mit Lizzie (Lauren Lyle), Ruth (Ellouise Shakespeare-Hart) und Cam (Nicole Rieko Setsuko), auf einem Bötchen auf eine entlegene Insel, um vor der Hochzeit irgendeiner des quirligen Quartetts eine supi Allerbestefreundinnenfuntime zu haben. Es wird viel gekichert, zum Beispiel über die vielen Genitalwitze. Dann nimmt ein unsichtbarer Hai einen Happen von Ruth. Ruth blutet das Boot voll, das sie mit Vollgas ins Hospital bringen soll, aber an einem Riff Leck schlägt, Blut sifft durchs Leck. Wer findet so was lecker? Genau. Und die kommen dann und umzirkeln die Girls, mit denen mitzuleiden um vieles schwieriger erscheint, als es noch bei dem Pärchen, das in »Open Water« (2013) nach einem Tauchausflug im Meer vergessen wurde, der Fall war. Emotional will hier längst so gar nichts mehr andocken. Erzählerisch liegt alles auf Trockendock. Da passt es sogar ganz gut, wenn die Protagonistinnen einfach selbst herausschreien, wie man sich als Zuschauer zum gruselarmen Geschehen positionieren könnte. Der Film ist erstaunlich rasch zu Ende. Geht (trotz 86 Minuten Laufzeit) aber noch lange, lange weiter. Wie? Warum das? Können besonders furchtlose Haifilmtrashfreaks zu einer großen Tüte lecker Schillerlocken jetzt im Kino nachprüfen.

»Something in the Water«, Regie: Hayley Easton Street, USA/UK/Frankreich 2024, 86 Min., bereits angelaufen

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