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Aus: Ausgabe vom 09.09.2024, Seite 15 / Politisches Buch
AfD

Genau das Gegenteil

Eine IMI-Broschüre hinterfragt die Demagogie der »Friedenspartei« AfD
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Zustimmung zum Aufrüstungskurs: Delegierte des Landesparteitages der hessischen AfD am Sonnabend in Hofheim am Taunus

Die AfD hat in den vergangenen Jahren vor allem mit Blick auf den Krieg in der Ukraine versucht, sich als Partei zu profilieren, die »für den Frieden« ist. Ihre Wahlerfolge insbesondere in den ostdeutschen Ländern ergeben sich zu einem nicht unerheblichen Teil aus dem Umstand, dass viele Wähler gerade auf diese Selbstdarstellung hereinfallen.

Das stellt allerdings die tatsächlichen Verhältnisse auf den Kopf, wie Alexander Kleiß und Merle Weber in einer kompakten Broschüre zeigen, die kürzlich von der Tübinger Informationsstelle Militarisierung in Kooperation mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung herausgebracht wurde. Kleiß/Weber stellen die verteidigungspolitischen Positionen der AfD dar, werfen ein Schlaglicht auf Personal und Selbstverständnis als »Soldatenpartei« und erläutern, wie sich diese Positionen in die Gesamtstrategie der Partei einfügen.

Deutlich wird dabei, dass die AfD nicht im Ansatz als »Friedenspartei« durchgehen kann. »Eine echte Friedenspartei müsste sich konsequent und generell gegen militärische Problemlösungen, Aufrüstung, Rüstungsexporte, die Wehrpflicht und das Militär positionieren« – und genau das tut die Partei nicht. Oder besser: Sie macht genau das Gegenteil davon.

Sie ist klar für Aufrüstung und den weiteren Ausbau der deutschen Rüstungsindustrie. Die spätestens seit 2022 im politischen und publizistischen Mainstream angekommene Behauptung, dass die Bundeswehr »nur noch bedingt einsatzbereit« sei, findet sich bereits im Grundsatzprogramm der AfD von 2016. Auch die Formel, dass eine angemessene Rüstung die »Voraussetzung« dafür sei, »dass NATO, EU und internationale Staatengemeinschaft Deutschland als gleichberechtigten Partner wahrnehmen«, findet sich hier.

2024 hieß es im Europawahlprogramm, eine »umfassend befähigte Bundeswehr« sei »Eckpfeiler deutscher Souveränität«. Die Bundeswehr sei aktuell aber »zahlenmäßig« und »ausrüstungstechnisch« nicht zur Verteidigung des Bundesgebietes in der Lage. Bereits in ihrem Grundsatzprogramm hatte sich die Partei zur Wiedereinführung der Wehrpflicht »für alle männlichen Staatsbürger zwischen 18 und 25 Jahren« ausgesprochen. An dem 2022 beschlossenen Aufrüstungs-»Sondervermögen« von 100 Milliarden Euro kritisiert die AfD-Fraktion, »dass 100 Milliarden Euro zu wenig seien oder dass das Aufrüstungspaket über Schulden und nicht aus dem regulären Haushalt finanziert werden solle«, betonen Kleiß/Weber. Auslandseinsätze der Bundeswehr lehnt die AfD nicht prinzipiell ab: »Die AfD betont immer wieder, für sie sei es entscheidend, ob Auslandseinsätze der Bundeswehr deutschen Interessen dienen würden.«

Alle vier Abgeordneten, die die AfD im Verteidigungsausschuss des Bundestages stellt, »waren vor ihrer Zeit im Parlament über längere Zeit bei der Bundeswehr, und zwei der Abgeordneten haben enge Verbindungen zur Rüstungsindustrie«. Auch viele andere Mitglieder und Funktionäre waren Berufssoldaten.

Die Aufrüstungsstrategie der AfD ist in eine nationalistische Gesamtstrategie eingebettet, die darauf zielt, dem deutschen Staat außen- und sicherheitspolitisch wieder mehr »Handlungsfähigkeit« und »Souveränität« zu verschaffen. Die »sicherheitspolitische Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit« Berlins sieht die AfD als »erodiert« an.

Der propagierte »Ausgleich mit Russland« hat dabei vor allem den Zweck, die Deckung des Rohstoffbedarfs der deutschen Wirtschaft auf diplomatischem Wege abzusichern. »Russland als Rohstofflieferant für die Technologie-Supermacht Deutschland – ein sehr unausgewogenes Freundschaftsangebot«, fassen Kleiß/Weber zusammen. Die AfD schreibe mit der Orientierung auf einen »eurasischen Block« im Grunde ein Konzept der »deutsch-russischen Annäherung« fort, das seit 2014 für die Ampelparteien und die Union vom Tisch sei. Und dennoch trage die Partei die »vorrangig gegen Russland gerichteten Kriegsvorbereitungen des NATO-Blocks mit, um der militärischen Eigenständigkeit näher zu kommen«. (jW)

Alexander Kleiß/Merle Weber: Warum die AfD keine Friedenspartei ist. 20 Seiten, herausgegeben von der Informationsstelle Militarisierung (IMI) e. V., Hechinger Str. 203, 72072 Tübingen, kostenloser PDF-Download über www.imi-online.de

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