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Aus: Ausgabe vom 12.09.2024, Seite 14 / Leserbriefe

Aus Leserbriefen an die Redaktion

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Aus »Platzgründen«

Zu jW vom 7./8.9.: »Gegenddarstellung: Berliner VVN-BdA«

Ich schäme mich meiner VVN, natürlich nicht der ganzen, sondern der Berliner Geschäftsstelle. Ich bin seit 2009 Mitglied in der VVN-BdA, habe seitdem den monatlich stattfindenden Jour fixe mitorganisiert und selbst ein Dutzend meiner antifaschistischen Abende dort gespielt, natürlich ohne Gage. Mindestens ebenso oft habe ich in der Galerie, nun Maigalerie, meiner Zeitung junge Welt gespielt. Jetzt erfahre ich, dass diese Zeitung, die von Anbeginn einen Stand beim »Tag der Erinnerung und Mahnung« hatte, in diesem Jahr nicht einmal einen Stehtisch auf dem Franz-Mehring-Platz aufstellen darf, angeblich aus »Platzgründen«, in Wirklichkeit aber aus deutlich anderen Sichtweisen auf die Kriege in der Ukraine und in Israel. »Israel-Hass« soll die junge Welt verbreitet haben, was das israelische Volk einschließen würde. Ich habe in meiner Zeitung etwas anderes gelesen, nämlich Kritik an Netanjahus völkermörderischer Politik gegenüber Palästina, und bin froh darüber, dass wenigstens hier, genau recherchiert und menschlich beschrieben, die Rechte eines seit Ende des Faschismus geknechteten Volkes verteidigt werden.

Der Jude Erich Fried hat das einmal so gesagt: Als wir verfolgt wurden / war ich einer von euch / Wie kann ich das bleiben, / wenn ihr Verfolger werdet?

Gina Pietsch, Berlin

Verwunderung und Empörung

Zu jW vom 7./8.9.: »Gegenddarstellung: Berliner VVN-BdA«

Ich bin nun schon seit einiger Zeit wieder Mitglied der VVN, nach einer längeren Pause. Ich war insbesondere in den 80er Jahren als junger Mensch in der VVN in Westberlin/Schöneberg lange Zeit aktiv. Mit großer Verwunderung und Empörung erfahre ich gerade von Eurer Absage an die jungen Welt. Ihr lehnt eine Teilnahme dieser jahrzehntelang in der antifaschistischen Bewegung verankerten Zeitung am »Tag der Mahnung« ab. Unfassbar! So wird die Breite der VVN total verengt. Wie ernst nehmt Ihr es eigentlich mit dem Schwur von Buchenwald, für den insbesondere diese Zeitung jW exemplarisch steht? »Nie wieder Faschismus und nie wieder Krieg!« Die Gleichgewichtigkeit dieser beiden Forderungen vermisse ich immer mehr in der VVN von seiten unseres Vorstandes.

Wann wird als nächstes das historische Erbe des kommunistischen Widerstands in der VVN als »stalinistisch« entsorgt? Und wann werden gar Mitglieder der DKP aus der VVN ausgeschlossen? Es wird Zeit, sich als Antifaschist in der VVN wieder mehr einzumischen. Wir sehen uns.

Carsten Schulz, Berlin

Falsche Sparpolitik

Zu jW vom 5.9.: »Träger Tanker«

Wozu gibt es dann noch den Deutschen Olympischen Sportbund, wenn da schon wieder über 35 neue Stellen geschaffen werden sollen? Da kommt doch noch weniger Geld an der Basis an. Trainer werden wieder leer ausgehen und ins Ausland gehen oder in den Schuldienst wechseln. Es ist sehr wenig Geld, was in Deutschland insgesamt in den Breiten-, Nachwuchs-, Spitzensport investiert wird. Maximal 750 Millionen Euro. Zum Vergleich: In den USA investiert jede Uni (ca. 4.000) rund 60 Millionen US-Dollar in den Sport. D. h. 15 von 4.000 Universitäten investieren mehr Geld in den Sport als ganz Deutschland! Sachsen ist »stolz«, auch im nächsten Jahr wieder 57 Millionen in den Sport zu stecken. Also wieder keine Anhebung der Trainergehälter (weit unter Lehrergehalt), und das bei einer 50- bis 60-Stunden-Woche, immer Montag bis Sonnabend Arbeit, sowie 20 bis 25 Sonntage im Jahr mit Wettkämpfen, Trainingslagern und Weiterbildungen. 60 Prozent der gut ausgebildeten Trainer arbeitet nicht mehr im Sport! Wertschätzung gleich Null und nur leere Versprechungen über Jahre durch die Politik. Hauptsache, deren Diäten steigen immer weiter!

Frank Embacher, Leipzig

Zum zweiten Mal bestraft

Zu jW vom 7./8.9.: »›Der Führer ist tot‹«

Luise Otten-Röhrs, 1912 geboren, als Luftwaffenhelferin auch in der Küche eingesetzt, sagte gegenüber ihren Kolleginnen am 21. Juli 1944: »Schade, dass es mit dem Attentat auf Hitler nicht klappte, dann hätten wir endlich Frieden!« Denunziert wurde sie zum Tode verurteilt, knapp drei Monate später begnadigt zu zehn Jahren Zuchthaus. Im Mai 1945 nach der Befreiung aus dem Zuchthaus entlassen. Ein schweres Leben danach. Ein Antrag auf Wiedergutmachung wurde abgelehnt, ihr Widerstand von den Bremer (!) Behörden nicht anerkannt: mit der Begründung, das Urteil wäre rechtens gewesen. Erst nach langem Kampf erhielt sie 1991 eine kleine Rente von 400 D-Mark. Sie arbeitete aktiv in der Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz als stellvertretende Vorsitzende unter Ludwig Baumann. Luise erkrankte im Jahr 2000 schwer und beging im Alter von 87 Jahren Selbstmord. Von friedensbewegten Menschen nicht vergessen, wurde 2022 in Bremen-Rekum ein Stolperstein gelegt, der regelmäßig geputzt wird. Bei der feierlichen Verlegung war nicht ein Ortsamtsbeiratsmitglied anwesend, auch zwei Landtagsabgeordnete von SPD und CDU fehlten, alle ohne Entschuldigung. Luise Otten-Röhrs wird nun ein zweites Mal bestraft. Im neuen Dillener Quartier in Bremen-Rönnebeck war eine »Luise Otten-Röhrs Straße« fest eingeplant, ein (Gegen-)Antrag der CDU-Fraktion machte das zunichte. Mit allen Stimmen von CDU, SPD und Grüne stimmten die Abgeordneten für eine Straße »Zur Drachenwiese«, weil vermeintlich früher Kinder und Jugendliche dort ihre Drachen steigen ließen. Eine Verhöhnung des antifaschistischen Widerstands! Neben der FDP war es die CDU-Fraktion, die nach September 1949 bei der konstituierenden Sitzung des Bundestages die meisten Nazifaschisten in ihren Reihen sitzen hatte. Unvergessen das schöne Gedicht von Luise »Willst Du sterben oder leben?«, in der Zuchthaushaft geschrieben.

Gerd-Rolf Rosenberger, Bremen

»Nie wieder Faschismus und nie wieder Krieg!« Die Gleichgewichtigkeit dieser beiden Forderungen vermisse ich immer mehr in der VVN von seiten unseres Vorstandes.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!