Wie bei der Paartherapie
Von Felix BartelsIn den USA zählen TV-Duelle noch was. Jede Highschool dort hat ihren Debattierklub, während in Deutschland, wo die Tugend, gut reden zu können, irgendwo zwischen Schreibtisch aufräumen und Kondome nicht ins Klo werfen rangiert. In der Nacht zum Mittwoch (mitteleuropäisch gerechnet) trafen sich Kamala Harris und Donald Trump zur Aussprache. Mit dem Erfolg einer Paartherapie: Wenigstens weiß man jetzt, wie der andere die Sache sieht.
Das sogenannte Momentum liegt bei Harris. Bidens Rückzug wurde als Befreiung empfunden, Harris’ Vorzug also besteht darin, begonnene Sätze auch beenden zu können. Durch die Vizenominierung von Tim Walz hat sie zudem eine Schwäche ausgeglichen. Während der Rüpel Trump sich mit J. D. Vance einen Rüpel an die Seite holte, setzte Harris auf Kontrapost. Walz soll in denselben Gewässern fischen wie Vance: im Rust Belt der wichtigen Swing states Michigan, Ohio und Pennsylvania, wo beträchtliche Teile der Arbeiterklasse sich von den Demokraten missachtet fühlen. Geschickt bedient man dieser Tage das Image des bodenständigen Familienvaters in den besten Jahren, »Coach Walz« heißt der Mann allenthalben. Die Botschaft: männlich, weiß und Mittelstand, das bedeutet nicht zwingend republikanisch. Und tatsächlich zieht Walz unentschiedene Schichten im Zentrum der USA auf die blaue Seite, worauf Trump mit Schärfe, Drohungen und Verächtlichmachung reagiert. Ungeschickterweise, denn mit Krawall beeindruckt er nur die, die bereits zu ihm halten, Wechselwähler schreckt das eher ab.
So mochte kaum überraschen, dass Harris offensiv auftrat und Trump nach Kräften provozierte. Zumal das den kollateralen Effekt hatte, dass ihre programmatischen Schwächen in den Hintergrund rückten. Nach wie vor hat sie nicht vermocht, handfeste Pläne vorzulegen oder ihre politischen Ziele konkret zu machen. Ihr »word salad« ist mittlerweile sprichwörtlich, reden kann sie durchaus, die Reihung leerer Phrasen indessen, die irgendwie nach was klingen, erinnert deutsche Beobachter an den Scholzomat.
Um Inhalte ging es dann auch bisweilen. Obgleich da nichts gesagt wurde, das nicht längst schon bekannt war. Harris warf Trump vor, die »schlimmste Arbeitslosigkeit seit der Großen Depression« hinterlassen zu haben. Trump konterte mit dem Hinweis auf die hohe Inflation unter der Biden-Harris-Regierung. Harris versuchte Trump auf seiner Paradestrecke der Steuersenkungen Wasser abzugraben mit dem Konzept einer »Wirtschaft der Möglichkeiten«, das Entlastung von jungen Familien und kleinen Unternehmen vorsieht. Trump versprach, dem amerikanischen Protektionismus treu zu bleiben, der Konkurrenz aus China soll mit Erhöhung von Zöllen begegnet werden. Harris forderte, dass Gesundheitsversorgung ein Recht sein müsse, Trump stritt ab, Obamacare abschaffen zu wollen, und nannte Harris ironiefrei eine »Marxistin«. In der Migrationspolitik versuchte Harris, sich als die härtere Hand darzustellen, sie warf Trump Blockade von verschärfenden Gesetzen vor, der seinerseits die Behauptung aufstellte, die Kriminalität im Land habe zugenommen. Im Zusammenhang der Abtreibungsdebatte sagte Harris, Trump habe sich einen gefügigen Supreme Court geschaffen, der die Rechte von Frauen beschneide. Trump unterstellte Harris, auch Abtreibungen noch im neunten Monat zu befürworten.
Selbst bei den Abschlussstatements gab es kein Zusammenkommen. Entsprechend den zwei Kulturen, die im ewigen Parteienpaar der USA institutionalisiert sind, beschwor Harris das hoffnungsvolle Wir und sprach Trump davon, dass die Nation sich im Niedergang befinde. Beide müssen mit dem Frust der wählenden Bevölkerung als Abfallprodukt der elementaren Konkurrenz im Kapitalismus arbeiten, Demokraten decken ihn zu, Republikaner lenken ihn um. Nicht erst seit Harris, nicht erst seit Trump.
Unzweifelhafter Höhepunkt der Debatte: Trumps Behauptung, Einwanderer äßen Katzen. Auch nicht schlecht: Seine Beweisführung, dass er die Wahl 2020 eigentlich gewonnen habe. Mit 74 Millionen habe er so viele Stimmen bekommen wie kein Präsident vor ihm. Das stimmt, wenn man ausklammert, dass sein Gegner bei derselben Wahl auf 81 Millionen kam.
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Beschimpfungen, Lügen, Halbwahrheiten trumpten aus dem »stupid old man« erwartbar am laufenden Band heraus. Sinngemäß tat er nicht nur kund, dass es die militärische Auseinandersetzung in der Ukraine unter seiner Präsidentschaft nie gäbe. Putin hätte vor ihm schon gekuscht. Nein, der Nahostkonflikt wäre ebenfalls kurz nach seiner Wahl gelöst.
Neben dem unerträglichen Narzismus des blass wirkenden (ups, rassistisch?), ständig ich hätte, ich würde, ich werde posaunenden Schaumschlägers, blickte der Größte Greis aller Zeiten (GröGaZ) nicht einmal zu seiner Konkurrentin. Warum auch? Nichweiße Frau. Und die sollten seiner Meinung nach eigentlich recht wenig reden und erst recht nicht über ihren Körper bestimmen dürfen. Wie sonst sind die Anklagen gegen ihn wegen sexueller Übergriffe und sein Standpunkt zu Schwangerschaftsabbrüchen erklärbar? Selbsbestimmung der Frau ist für ihn ähnlich unverständlich wie die Sprache Quechua für Eutopäer. Der Grund: Nicht alleine jenen relevanten evangelikalen Wählern gilt die Selbstbestimmung der Frau über ihren Körper als böse. Christlicher Islamismus oder umgekehrt.
Der Höhepunkt (das klingt jetzt unpassend) trumpscher Demagogie als Nachfahre deutscher Einwanderer sind Einwanderer. Aber sie sind halt nicht weiß. Deshalb seien die das eigentliche Problem. Vor allem, weil sie des US-Bürgers Lieblinge verspeisten. Zusammenfassend sagte er: »Sie kommen und essen unsere Haustiere, sie grillen unsere Katzen.« So sind die halt, jene Einwanderer. Ob es genetisch begründete Zusammenhänge zwischen Goebbels und jenem Typen mit entsprechendem, deutschen Migrstionshintergrund gibt? Hallo Donald, Du bist gemeint! Das zu fragen, wäre jetzt sein Stil.