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Aus: Ausgabe vom 14.09.2024, Seite 2 / Inland
Berliner Senat will SEZ abreißen

»Ein Schlag ins Gesicht der Menschen hier«

SEZ in Berlin: Initiative setzt sich gegen geplanten Abriss der größten Sport- und Freizeiteinrichtung der DDR ein. Ein Gespräch mit Carl Waßmuth
Interview: Kristian Stemmler
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Demonstration »SEZ für alle!« am 1. September 2024 vor dem SEZ

Ihre Initiative kämpft für den Erhalt des Sport- und Erholungszentrums, SEZ, dessen Abriss der Berliner Senat plant. Was ist das für eine Einrichtung?

Das Sport- und Erholungszentrum wurde 1981 im Osten Berlins, in Friedrichshain, erbaut und war die größte Sport- und Freizeiteinrichtung der DDR. Es gab dort ein großes Schwimmbad mit vielen Becken und Saunalandschaft, eine Eisbahn, Sporthallen, Bowling, Tennis, Fitnessstudios et cetera, dazu diverse Restaurants. Das SEZ war sehr beliebt, es gab immer lange Schlangen, nicht zuletzt wegen der sehr günstigen Preise. Der Gebäudekomplex liegt verkehrsgünstig an der Landsberger Allee, am Rand des Volksparks Friedrichshain.

Wie ging es nach dem Ende der DDR weiter?

Das Zentrum wurde nach 1990 weiterbetrieben, der Betrieb aber allmählich ausgedünnt. Eine Instandhaltung des Komplexes fand nur noch rudimentär statt. Dem Senat waren die Kosten zu hoch, und er schloss das SEZ Ende 2002. Dann wurde der Komplex für einen Euro an einen sogenannten Investor aus Leipzig verkauft, aus unserer Sicht ein Glücksritter, der vermutlich hoffte, dass er mit dem Grundstück spekulieren kann. Auflage war, dass er das Schwimmbad wieder öffnet, was nicht geschehen ist. Auch auf Druck von Bürgern hat der Senat dann geklagt und schließlich durch alle Instanzen gewonnen, so dass er das SEZ jetzt zurückübertragen bekommt.

Der Senat will jetzt auf dem Areal rund 500 Wohnungen, eine Schule, Gewerbe und Einzelhandel errichten. Dazu heißt es, das SEZ sei marode und müsse abgerissen werden.

Ja, das schreiben ganz viele. Das Gebäude sei eine Ruine, vermodert und verfallen, aber das ist einfach nicht richtig. Das Gebäude ist ja noch nicht so alt, und es ist baulich intakt. Ich bin selbst Bauingenieur und kann nur sagen: Die bauliche Substanz ist sehr solide. Natürlich gibt es, wie bei jedem Bauwerk, an dem man 25 Jahre fast nichts gemacht hat, einen Instandhaltungsstau. Man muss sich um die Becken kümmern, die Elektrik. Aber der Komplex lässt sich wieder ertüchtigen. Es müsste eben das Geld reingesteckt werden, das über die Jahre nicht investiert wurde.

Was fordert Ihre Initiative?

Der geplante Abriss ist ein Affront, ein Schlag ins Gesicht der Menschen hier. Wir fordern vom Senat, das SEZ wieder als Sport- und Erholungszentrum für den ganzen Berliner Osten zu eröffnen. Wir wollen hier schwimmen und eislaufen. Und selbstverständlich muss das Zentrum wieder öffentlich betrieben werden. Das misslungene Experiment der Privatisierung darf nicht mit einem anderen Glücksritter wiederholt werden. Es geht ja auch um ein öffentliches Anliegen, das SEZ ist Teil der sozialen Infrastruktur.

Wir haben drei Jahre Pandemie hinter uns, mit einer steigenden Anzahl von Fällen von Adipositas oder Depressionen, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, und wir brauchen dringend Einrichtungen, wo Naherholung stattfinden kann. Bisher muss man weit ins Umland fahren, um zu so einem Bad zu kommen.

Aber werden Wohnungen und Schulen in Berlin nicht auch gebraucht?

Sicher, wir brauchen bezahlbaren Wohnraum. Aber durch Neubau bekommen wir den ohnehin nicht. Nur etwa zehn Prozent der neu gebauten Wohnungen sind bezahlbar. Und hier haben wir den Fall, dass ein riesiges Gebäude erst einmal abgerissen werden muss, was erhebliche Kosten verursacht. Zudem wende ich mich dagegen, dass verschiedene Bereiche der Daseinsvorsorge gegeneinander ausgespielt werden. Tatsächlich sind es doch vor allem die Baukonzerne und die sie finanzierenden Banken, die daran interessiert sind, dass ständig abgerissen und neu gebaut wird.

Sie weisen auch auf den architektonischen Wert des SEZ hin.

Es ist ein Identität stiftendes Bauwerk für die Menschen im Osten, eine Ikone. So etwas gibt es nicht noch mal in Deutschland. Viele haben schöne Erinnerungen. Wir sammeln Unterschriften gegen den Abriss mit unserer Petition »Rettet das SEZ«. Wir haben übrigens noch den kleinen Unterskandal, dass das Gebäude eigentlich unter Denkmalschutz stehen müsste. Aber 2021 wechselte die Zuständigkeit: Das Denkmalschutzamt untersteht jetzt demselben Senator, der den Abriss plant, Bausenator Christian Gaebler.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

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  • Leserbrief von Peter Groß (16. September 2024 um 13:54 Uhr)
    Das Böse ist immer und überall. Im Rahmen der Internationalen Bauausstellung (IBA Berlin) gab es ehemals umfangreiche Diskussionen zu Bösen Bauten. In denen der »Böse Geist« vergangener Zeiten aufgesaugt wurde wie Löschpapier und zu neuem Leben erwachte. Da denke ich nicht nur an das Verteidigungsministerium, das unter Pistorius als Kriegsministerium und Speerspitze gegen Russland wiedererstanden ist. Auch Claudia Roth (Bündnis 90/Grüne) widmet ihre Gedanken eher der Restaurierung des neofaschistischen Flughafen Tempelhof anstelle intensiver, kulturell erfolgreicher Jugendkulturarbeit. Dazu kommt ihre finanzielle Unterstützung für die Drogen affine Techno-Clubkultur. Als eine Institution für erfolgreiche, beispielhafte, internationale Jugendarbeit könnte das SEZ öffentliche Anerkennung erfahren, würde es als Ausbildungsprojekt in Kooperation mit praxisnaher Architekturausbildung und Handwerkskammern sowie selbstverwaltetes Projekt in die Hände der Jugend gelegt werden und zu neuer Größe auferstehen. Mit entsprechend fachkundiger Begleitung, etwa durch demokratische Parteien und deren Jugendorganisationen, sowie Sozialarbeit. Scheinbar legen der CDU-Senat und seine Satelliten keinen großen Wert auf demokratische, generationenübergreifende, als auch sorgsame Jugendarbeit. Es scheint, man überlässt und delegiert diese unverantwortlich an die AfD oder jene berüchtigten Familienbanden der Organisierten Kriminalität. Die etablierten und oft selbst verwalteten Jugendzentren mussten jedenfalls unerträgliche Rückschläge hinnehmen und werden zunehmend durch stundenweise beschäftigte Streetworker ersetzt. Schon bei den Großsiedlungen in Westberlin wurde einst versäumt, ein wirkungsvolles stabiles soziales Umfeld zu etablieren. Das darf kein zweites Mal zugelassen werden. Bleibt nur, sich der verantwortlichen Argumentation von Dr.-Ing. Britta Fritze vollumfänglich anzuschließen und die Hoffnung, dass »Hirn vom Himmel« fällt oder Politiker endlich ihre Hausaufgaben machen.
  • Leserbrief von Dr.-Ing. Britta Fritze aus Berlin Friedrichshain (14. September 2024 um 16:50 Uhr)
    Genau genommen ist es ja so, dass das bürgerschaftliche Engagement für das SEZ selbst eine Rekonstruktion rechtfertigen würde. Da ist es doch naheliegender, das Bauwerk einfach in Stand zu setzen und die Nutzung wieder aufzunehmen. Mit einem Streich würde man noch dazu das verkehrsreduzierende, Lebensqualität erhöhende städtebauliche Konzept umsetzen, das als »15-Minuten-Stadt« bekannt ist. Mit dem SEZ in seiner originären Rolle eines Sport- und Freizeittempels für alle würde der Senat eine ganze Reihe an Kiezen in 15 Minuten fußläufiger Entfernung komplettieren, die bereits über öffentliche Mobilität, Schulen, Kitas, Ärzte, Einzelhandel, Wohnungen und Fahrradwege verfügen, die für die Erreichung der Ziele ebenfalls notwendig sind. Durch eine einzige, schnöde Renovierung. Denn ein stützenfreier Raum ist über Nutzer wie Glücksritter erhaben. Völlig unangetastet steht das Tragwerk gut erhalten da, die Einbauten sind schnell beseitigt, das Bodenrelief befreit. Wer mal versucht hat, von Friedrichshain aus im Winter die Eisbahn Weißensee oder im Sommer das Prinzenbad in Kreuzberg nach der Schule mit Kindern zu besuchen, kennt den Leidensdruck. Das genau die Nutzung, für die das SEZ gebaut wurde, genau an diesem Ort richtig ist, liegt eigentlich auf der Hand. Die Furcht ist vielleicht eine andere: Ist es das Narrativ einer postmodernen, genussvollen, optimistischen DDR, das hier als Bedrohung empfunden wird? Ein Sport- und Freizeitzentrum mit niedrigen Eintrittspreisen und damit der Möglichkeit einer breiten Teilhabe? Klingt nicht nach Bedrohung. Klingt nach einer guten Idee.

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