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Aus: Ausgabe vom 16.09.2024, Seite 3 / Schwerpunkt
Siedlergewalt

Gegen den Landraub

Christlich-palästinensischer Widerstand im Angesicht der israelischen Besatzungsmacht: Eine junge Frau stellt sich den Siedlern entgegen
Von Jakob Reimann
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Alice Kisiya stellt sich israelischen Soldaten und Siedlern in den Weg (Beit Dschala, 2.8.2024)

Am 31. Juli stürmten radikale israelische Siedler auf das Grundstück der Familie Kisiya in Beit Dschala im besetzten Westjordanland. Beschützt von israelischen Soldaten besetzten die Fundamentalisten im Al-Makhrour-Tal 5.000 Quadratmeter Land der christlichen Familie, die dort seit Generationen lebt und über die erforderlichen Dokumente der israelischen Behörden verfügt, die belegen, dass sie die rechtmäßigen Eigentümer sind. Videos und Fotos des Angriffs verbreiteten sich rasch in den sozialen Medien. Tochter Alice stellte sich den mit Maschinengewehren bewaffneten Angreifern entgegen und rief die israelische Polizei, damit diese die randalierenden Gewalttäter stoppen würde. Doch die nahmen ihren Bruder Jad fest, der sich gegen den Überfall zur Wehr setzte. Seitdem treffen sich Dorfbewohner und auch internationale Aktivisten und Unterstützer nahezu täglich zu friedlichen Protesten, um gegen den Landraub der Siedler anzukämpfen. Ende August wurden Mutter Michelle und Tochter Alice bei einem friedlichen Sit-in auf ihrem eigenen Land festgenommen und über Nacht weggesperrt. Doch die Proteste gehen weiter. »Unser Ziel ist es, unser Land zurückzugewinnen«, erklärt Alice am Freitag gegenüber junge Welt, »und der Welt zu zeigen, dass der Jüdische Nationalfonds Land von uns Palästinensern stiehlt«.

Das im südlichen Westjordanland nahe der Stadt Battir gelegene Al-Makhrour-Tal ist für Palästinenser von großer historischer, kultureller und landwirtschaftlicher Bedeutung. »Es stellt eine tiefe Verbindung zum palästinensischen Erbe und zur palästinensischen Identität dar«, heißt es in einer Broschüre der Aktivistengruppe »Save Al-Makhrour«. Insbesondere für seine terrassenförmig angelegten landwirtschaftlichen Felder wurde das Gebiet rund um das Al-Makhrour-Tal 2014 in die Liste der Weltkulturerbe der UNESCO aufgenommen und direkt mit dem Status eines gefährdeten Kulturerbes versehen. In der Begründung wird unter anderem der Bau einer Mauer aufgeführt, »die die Bauern von ihren seit Jahrhunderten bestellten Feldern trennen könnte«. Am 14. August gab der israelische Finanzminister Bezalel Smotrich, dem auch die Verwaltung des Westjordanlands obliegt, bekannt, dass die Regierung den Bau einer neuen illegalen Siedlung mit dem Namen Nahal Heletz genehmigt hat. Durch die systematische Vertreibung von Palästinensern und gleichzeitiger Ansiedlung von Israelis wird südlich von Jerusalem ein weiterer Keil zwischen die palästinensischen Dörfer und Städte der Region getrieben.

Durch den fortschreitenden Siedlungsbau und Landraub ist die landwirtschaftliche Nutzung und damit die Lebensgrundlage vieler palästinensischer Familien der Region bedroht. Fanatische Siedler mit dem ultrarechten Smotrich an der Spitze begründen die mit staatlicher Gewalt durchgesetzte Besiedlung palästinensischen Lands oft unter Berufung auf religiöse Schriften. Doch bei den Vertreibungen, Pogromen und Anschlägen seitens der staatlich geschützten Siedler handle es sich nicht um einen »Religionskrieg«, erklärt Tochter Alice weiter gegenüber jW, es gehe um »die ethnische Säuberung des Westjordanlands«. Zusammen mit den Bewohnern der Gegend und palästinensischen, israelischen und internationalen Aktivisten werden sie und ihre Familie weiterkämpfen und erarbeiten dafür verschiedene Strategien des Widerstands. Die Familie arbeite mit Anwälten zusammen, um zu versuchen, den Landraub auf juristischem Wege rückgängig zu machen. Damit der Kampf um Al-Makhrour auf die internationale Agenda gesetzt wird, organisieren die Aktivisten am 29. Juli eine weltweite »interreligiöse Gebetswache der Solidarität«.

Die Familie Kisiya gehört zu den rund 50.000 palästinensischen Christen, die im Westjordanland leben. »Die Beziehungen zwischen palästinensischen Christen und Muslimen sind hervorragend«, erklärt Tochter Alice weiter gegenüber jW. Seit Generationen lebe man in denselben Nachbarschaften. Neben der gemeinsamen Geschichte verbinde die verschiedenen religiösen Gemeinschaften auch die Gewalt und die Ungerechtigkeiten des israelischen Staates, der bei Palästinensern schließlich nicht nach Religionen unterscheide. »Juden, Muslime und Christen sind mit denselben Problemen konfrontiert. Wir alle stehen derselben Besatzung gegenüber, demselben Unterdrücker«, sagte Alice.

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