»Die Regierungen lassen uns seit Jahren im Stich«
Interview: Philip TassevVergangene Woche hat die ghanaische Regierung verkündet, den Abnahmepreis für Kakao um 45 Prozent zu erhöhen. Wie ist der Kakaohandel in Ghana organisiert?
In Ghana legt ein Gesetz fest, dass die Regierung der alleinige Eigentümer der Kakaobohnen ist. Daher kann niemand Kakao ohne die Regierung vermarkten. Die Regulierungsbehörde Cocobod legt jede Saison einen neuen Kakaopreis fest. Die Saison beginnt jetzt im September. Bis August 2025 hat die Regierung den Preis auf etwa 3.000 US-Dollar pro Tonne festgelegt. Aber auf dem Weltmarkt liegen die Preise bei etwa 7.000 Dollar pro Tonne. Die Differenz geht an den Staat.
Der Grund für die Preiserhöhung sei der Schmuggel des Kakaos durch die Bauern, sagt die Regierung. Wie funktioniert der Schmuggel?
Es sind nicht die Bauern, die den Kakao außer Landes schmuggeln. Die sind dazu gar nicht in der Lage. Es gibt Geschäftsleute, die kaufen den Kakao und bringen ihn nach Togo, Côte d’Ivoire oder Burkina Faso.
Gab es Druck von seiten der Bauern, den Preis zu erhöhen?
Ja, aber die Bauern sind mit diesem Preis noch nicht zufrieden. Die Inflationsrate und die Lebenshaltungskosten sind sehr hoch. Wenn der Kakao für 7.000 Dollar gehandelt wird, davon 3.000 Dollar an die Bauern und 4.000 Dollar irgendwo anders hingehen, ist das bedauerlich. Wir fordern, dass die Regierung einen neuen Preis festlegt, der für die Bauern von Vorteil ist. Die Kakaoproduktion wird sonst weiter zurückgehen, weil die Bauern auf Kautschuk, Ölpalmen oder Cashew ausweichen. Sie sind sonst nicht in der Lage, Geld für Medikamente oder Lebensmittel aufzubringen. Das führt außerdem zu Kinderarbeit und anderen Problemen. Wir Landwirte sind der Meinung, dass die Regierung uns gegenüber unfair war mit dieser Preisverkündigung.
Tut die Regierung denn mit dem Geld aus dem Kakaohandel irgend etwas für die Landwirte?
Es gibt da einen Mangel an Transparenz und eine fehlende Rechenschaftspflicht. Die Regierung ist nicht in der Lage, uns zu sagen, warum sie uns diesen Preis zahlt.
Gibt es Bestrebungen, eine weiter verarbeitende Industrie in Ghana zu etablieren?
Bisher gehen 80 Prozent unserer Kakaobohnen außer Landes. Nur 20 Prozent werden zu Produkten wie Schokolade, Kakaopulver oder Kakaobutter verarbeitet. Es fehlen aber die Kapazitäten für Investitionen in eine Industrie. Unsere Regierungen lassen uns seit vielen Jahren im Stich. Wenn man in der Lage wäre, den Kakao zu verarbeiten, könnte man mehr Geld bekommen und mehr Arbeitsplätze für die Jugend schaffen. Wenn man immer nur die rohen Bohnen verkauft, bekommt man nicht viel. Die Regierung sollte der Wertschöpfung Vorrang einräumen.
Die Bauern müssten also die Weiterverarbeitung selber organisieren, weil sie keine Hilfe von der Regierung bekommen?
Es wäre gut, wenn sich die Bauern zusammenschließen, um gemeinsam nach Investoren zu suchen, die dann Fabriken bauen, in denen der Kakao verarbeitet wird. Erst kürzlich habe ich ein Angebot aus dem Vereinigten Königreich erhalten. Ein Unternehmen wollte 100 Tonnen Kakaobutter pro Monat, aber wir können nicht liefern.
Sie sind nicht nur Kakaobauer, sondern auch leitendes Mitglied der Ghana Civil Society Cocoa Platform. Können Sie kurz erläutern, was das für eine Organisation ist?
Das ist ein Zusammenschluss von Kakaobauern, zivilgesellschaftlichen Gruppen und NGOs. Wir wollen alle Bauern zusammenbringen, damit sie mit einer Stimme sprechen. Die Bauern sollen konsultiert und ihre Ansichten berücksichtigt werden. Denn eines der Probleme ist, dass die internationalen Gremien und die Unternehmen nicht mit den Bauern verhandeln wollen, sondern immer mit den Behörden. Es sollte einen offenen Informationsfluss geben, der es den Unternehmen ermöglicht, den Landwirten mitzuteilen, was sie tun.
Wenn man nur stillschweigend zusieht, wird der Bauer am Ende des Tages betrogen werden. Woher wollen sie dann die Kakaobohnen nehmen? Die Regierung produziert keinen Kakao, sie reguliert nur den Handel. Wenn die Bauern den Kakaosektor verlassen, werden sie den Kakao verlieren. Die Unternehmen, die Chocolatiers und die Einzelhändler: Sie alle müssen dafür sorgen, dass die Lebensbedingungen der Bauern fair sind.
Issifu Issaka ist Kakaobauer und Vorsitzender der Sefwi Bekwai Cocoa Farmers Cooperative Union mit rund 20.000 kleinen Kakaobauern
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