Jung und schnell
Von André DahlmeyerEinen wunderschönen guten Morgen! Franco Colapinto heißt der neue Stern am argentinischen Sporthimmel! Guter Zeitpunkt für ein paar kleine Exkurse, besser früher als nie. Die deutschen Qualitätsmedien verklickern Ihnen in aller Regelmäßigkeit: Argentinien, das sei Tango, Maradona und Asado (Grillorgien). Die treue, stetig wachsende Leserschaft dieser Kolumne ist da besser aufgestellt. Fleischfrei werden wir Argentinien wohl nicht mehr erleben, doch man kann sagen: Die weltweite vegetarische Bewegung ist zumindest in Buenos Aires deutlich auf dem Vormarsch. Wer es hier wagt, ein Steak zu bestellen, muss in immer mehr Barrios damit rechnen, dass ihm in dem Moment, wo der Teller auf den Tisch gestellt wird, eine heftig rotierende Miniaturwindkraftanlage (Miwian) ins dampfende Fleisch gerammt wird. Abenteuertourismus geht genau so. Und man wird nicht so nass wie beim Rafting.
Maradona ist zwar immer noch Gott, aber in der jüngsten Vergangenheit konnte aufgrund der silberländischen Titelschwemme sogar Messi punkten, freilich nur bei denen, die die vermeintlich biedermännische Ansicht vertreten, ein Balltreter sollte doch wenigstens öffentlich ein konfliktfreies Privatleben führen (dürfen). Man kann sagen, Messi hat den Fuß Gottes berührt. Nationalsport ist in Argentinien aber nicht Fußball (und auch nicht Polo), sondern Pato (Erpel).
Dabei handelt es sich um einen Reitsport, bei dem ursprünglich ein lebender Erpel in eine Art senkrecht stehenden Basketballkorb geworfen wurde. Das ist inzwischen verboten, aber verboten ist ja so manches, etwa Hahnenkämpfe. Mein Nachbar zum Beispiel züchtet Kampfhähne, er hat um die 40. Ich war oft bei Hahnenkämpfen, fliegende Erpel sind mir nicht fremd, auf dem Land sind wir da nicht so.
Nein, des kleinen Mannes Sonnenschein ist nicht der Fußball. Auch nicht Pato. Das einzige, wonach die Argentinier völlig verrückt sind, sind gute alte Autorennen. Die Berliner Russen mit ihren gedopten Kakerlaken sind nie angekommen. Der Silberländer schwört auf seine »Turismo Carretera« (Stockcar), die älteste noch aktive Autorennserie der Welt. Ja, was soll er tun, der Argentinier? Seit April 1998 gibt es den Großen Preis von Argentinien nicht mehr. Den letzten gewann Michael Schumacher, Argentiniens Formel- 1-Legende Carlos Reutemann wurde immerhin zweimal Zweiter. Und Silberpfeil-Ikone Juan Manuel Fangio kennt heute kein Schwein mehr. Formel-1-Pilot »Lole« Reutemann, später peronistischer Politiker und Provinzfürst (Caudillo) der Provinz Santa Fe, galt als der ewige Zweite, vergleichbar Argentiniens Tennisidol Guillermo Vilas.
Wird jetzt anders. Argentinien ist im Freudentaumel. Kürzere Sätze. Fett wegschwitzen. Sätze wie ein Hackebeilchen. Nee, gelogen. Kommen wir zu Franco Colapinto. Der 21jährige hat am Sonntag nach dem tollen Auftakt in Italien beim GP von Aserbaidschan sein zweites Formel-1-Rennen absolviert, für den Rennstall Williams F 1 (Großbritannien) den achten Platz belegt (begünstigt durch die Sanktion für Lewis Hamilton) und damit die ersten (vier) Punkte im F-1-Circus für Argentinien seit Reutemann 1982 eingeheimst. Colapinto war in der letzten Runde dem Deutschen Nico Hülkenberg (Haas) weggefahren, brauste anschließend den zusammenkrachenden »Checo« Pérez (Mexiko, Red Bull) und Carlos Sainz Jr. (Spanien, Ferrari) davon.
Am Weekend startet der GP in Singapur. Schon jetzt klopft die Konkurrenz an die Cockpittür. Der deutsche Gigant Audi hat den Sauber-Rennstall aufgekauft und erste Bitcoins für Colapinto ins Spiel gebracht. Bis dahin (2026) ist Zwischenparken angesagt. Das kann Racing Bulls (Red Bull II), Formel 2 oder Ersatzpilot bei Williams bedeuten. Ein erstes Ausrufezeichen ist jedenfalls gesetzt.
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