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Aus: Ausgabe vom 20.09.2024, Seite 2 / Inland
Frachtflughafen Leipzig/Halle

»Mehr Lärm und Treibhausgase«

Frachtflughafen Leipzig/Halle wird ausgebaut. Klimaaktivisten kämpfen gegen die Pläne. Ein Gespräch mit Elisabeth Reckmann und Jupp Trauth
Interview: Yaro Allisat
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Blockadeaktion gegen den geplanten Ausbau am Flughafen Leipzig/Halle (9.7.2024)

Der Ausbau des Frachtflughafens Leipzig/Halle für 500 Millionen Euro ist am Montag von der Landesdirektion Sachsen per Planfeststellungsbeschluss genehmigt worden. Was bedeutet das?

Alles, was die Region belastet, wird zunehmen: mehr alte, sehr laute DHL-Frachtmaschinen. Die Zahl der Starts und Landungen durch das Ausbauvorhaben wird bis 2030 um 50 Prozent steigen. Das bedeutet mehr Lärm, Ultrafeinstaubbelastung und Treibhausgase. Zusätzlich kommt eine Bodenversiegelung auf einer Fläche von rund 30 Fußballfeldern hinzu, und dazu: eine deutliche Verkehrszunahme von Lkw im Umfeld des Flughafens. Der Ausbau bedeutet zudem Verluste für den Betreiber, die Mitteldeutsche Flughafen AG, MFAG: DHL als Hauptnutzer bezahlt keine kostendeckenden Gebühren, daher müssen aus Steuermitteln bis zu 30 Millionen Euro zugeschossen werden.

Wie kommt es, dass DHL so wenig zahlt?

DHL hat mit der MFAG einen Vertrag, in dem diese niedrigen Gebühren festgelegt sind. Das ist für den Paketdienst ein mächtiger Standortvorteil. Außerdem gibt es keine CO2-Grenzwerte für DHL. Damit wurde der Konzern maßgeblich von der CDU hierhergelockt, vorgeblich, um im Osten Arbeitsplätze und Wirtschaftsaufschwung zu schaffen.

Es gab über 8.000 formaljuristische Einwendungen gegen den Ausbau – warum wurde er trotzdem genehmigt?

Die Ausbaugenehmigung ist eine politische Entscheidung durch eine Behörde, die der Landesregierung untersteht. Umweltpolitische Erwägungen spielten wohl keine Rolle beziehungsweise beschränken sich zum Beispiel auf Vorgaben zur Umsiedlung von Eidechsen. Auch sollen Häuser und Grundstücke von besonders von Lärm betroffenen Personen aufgekauft werden – eine Fortsetzung der Vertreibung, wie wir sie aus Kursdorf kennen, einer Gemeinde, die durch den Flughafenausbau eingekesselt wurde. Es zeigt sich die gleiche Rücksichtslosigkeit wie bei der Vertreibung durch den Abbau von Braunkohle.

Was haben Sie bisher gegen den geplanten Ausbau unternommen? Wir erinnern uns an die Blockade vor drei Jahren, die nicht ohne Folgen blieb …

Es gibt eine kleine, aber aktive Gegnerschaft bestehend aus Bürgerinitiativen gegen Nachtflug und Klimagruppen, die sich schwerpunktmäßig Petitionen, Einwendungen und parlamentarischen Anfragen gewidmet haben. Im Juli 2021 kam es zu einer Blockade der Zufahrt zum DHL-Drehkreuz Leipzig. Die beteiligten Aktivisten schlagen sich seitdem mit juristischer Verfolgung durch die Staatsanwaltschaft herum. Motivationshemmend ist, dass die Anwohner sich leider überwiegend resignativ mit passiven Schallschutzmaßnahmen abgefunden haben. Nicht zu unterschätzen ist außerdem die Propaganda, die DHL betreibt. Durch Biomonitoring, mit Blühwiesen für Bienen, energiesparenden Transportfahrzeugen und einer geschickten betriebsinternen Kommunikation stellt sich DHL als zukunftsträchtiger Arbeitgeber und als Gewinn für die Region dar.

Wie geht es nun weiter?

Es kann nicht sein, dass ein vier Jahre alter Antrag auf Ausbau keinerlei Berücksichtigung der seitherigen Gerichtsurteile und Beurteilungen von Klimaschädigungen zeigt. Wir starten deshalb eine neue Aktivierungsrunde innerhalb der Ausbaugegnerschaft und werden auch den Protest öffentlich machen. Aber wir wissen, dass nur noch der Klageweg zu einer Umkehr der getroffenen Entscheidung führen kann. Da Gerichte in gesellschaftliche Machtverhältnisse eingebunden sind, muss die Klage von öffentlichem Protest begleitet werden. Um die Klage zu finanzieren, sammeln wir aktuell Spenden.

Proteste gegen verschiedene Flughafenausbauprojekte gibt es in mehreren Städten der BRD. Was können Sie von den anderen Betroffenen lernen?

Glücklicherweise sind wir gut vernetzt mit den Anwohnern anderer deutscher Flughäfen. Sie alle eint das gleiche Schicksal: Der Ausbau der Luftfahrt liegt im Interesse profitorientierter Konzerne, wird durch Lügen von angeblichem Arbeitsplatzzuwachs und wichtiger Regionalentwicklung legitimiert. Die Aussichten auf Erfolg für Ausbaugegner sind deshalb limitiert. Unsere Forderungen aber bleiben: kein Ausbau, statt dessen Nachtflugverbot und Transformation!

Elisabeth Reckmann (l.) und Jupp Trauth (r.) sind im Aktionsbündnis gegen den Frachtflughafen Leipzig/Halle ­aktiv. Sie beantworteten die ­Fragen ­gemeinsam

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

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