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Aus: Ausgabe vom 21.09.2024, Seite 2 / Inland
Volkswagen

»VW hat in den Jahren sehr hohe Profite gemacht«

Wolfsburger Konzern droht mit Massenentlassungen, Luxussparte gewinnbringend. Exbetriebsrat fordert Konversion. Ein Gespräch mit Stephan Krull
Interview: Wolfgang Pomrehn
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Sollen es ausbaden: Arbeiterinnen und Arbeiter protestieren vor Beginn einer Betriebsversammlung im Wolfsburger Werk (4.9.2024)

Der VW-Vorstand kündigt Massenentlassungen und Werkschließungen an. Nagt die Besitzerfamilie Porsche-Piëch am Hungertuch?

Keineswegs. Erst dieses Jahr sind Dividenden in Höhe von mehr als einer Milliarde Euro an den Porsche-Piëch-Familienclan ausgeschüttet worden. Insgesamt waren es über vier Milliarden Euro. Der Konzern macht keine Verluste, sondern nach wie vor gute Gewinne. Aber bei der Pkw-Marke Volkswagen sind den Besitzern und Managern 3,5 Prozent zu wenig. Die Profitrate soll mit den Entlassungen auf 6,5 Prozent angehoben werden.

Sie haben an anderer Stelle einen Zusammenhang zur Aufrüstung und Militarisierung hergestellt. Worin sehen Sie diesen?

Zum einen ist die Ankündigung von Massenentlassungen und Werkschließungen eine Kriegserklärung an die Arbeiterinnen und Arbeiter. Zum anderen in den Prioritäten. Die Automobilindustrie ist für das Land enorm wichtig, doch die Bundesregierung kann zwar für die Aufrüstung über Nacht 100 Milliarden Euro aus dem Hut zaubern, hat aber kein Geld für die sozial-ökologische Transformation der Mobilitätsindustrie und gibt keine sozialen Garantien für die Arbeiterinnen und Arbeiter ab. Der Zusammenhang wird auch daran sichtbar, dass Rheinmetall neue Fabriken baut, während Volkswagen welche schließen will.

Der Pkw-Absatz in Europa geht zurück. Ist die Strategie, vor allem auf das besonders profitträchtige Luxussegment zu setzen, gescheitert?

In den zurückliegenden Jahren hat VW mit Luxuswagen und SUVs sehr hohe Profite gemacht. Allerdings ist das ein außerordentlich umkämpftes Segment. BMW, Mercedes und andere produzieren in diesem Bereich, doch anders als diese ist VW auf den Absatz großer Stückzahlen angewiesen. Aber wenn die Preise für die Autos erst bei 40.000 oder 50.000 Euro beginnen, dann können sich viele diese gar nicht leisten. Kleine, preiswerte und sparsame Autos fehlen im Angebot. VW hat mal ein Drei-Liter-Auto entwickelt und verkauft. Wäre dieser Weg weiter beschritten worden, wären wir heute vielleicht beim 1,5-Liter-Auto, hätten weniger ökologische Probleme und keine Beschäftigungsprobleme. Allerdings wird mit diesen kleinen Fahrzeugen weniger Profit erwirtschaftet, und deshalb wurde die Produktion eingestellt.

Was sollte aus Ihrer Sicht die Antwort der Belegschaften auf die Forderung nach Kapazitätsabbau sein?

Wir brauchen eine Konversion. Die Produktion muss umgebaut werden, wofür wir aber weitaus mehr Mitbestimmung brauchen. Zum Beispiel in Form eines Transformationsrates, in dem neben der Vertretung der Beschäftigten auch Umwelt-, Verkehrs- und Klimainitiativen mitarbeiten. Letztlich muss die Industrie in Gemeineigentum überführt werden, um zum Nutzen der Allgemeinheit produzieren zu können.

Was könnte ein Betrieb wie VW-Wolfsburg anderes produzieren?

Es gibt im öffentlichen Personennahverkehr einen großen Mangel sowohl an Bussen und Schienenfahrzeugen als auch an ganz neuen Konzepten. Auftraggeber könnten die Kommunen sein, die dafür selbstverständlich mehr Geld bräuchten. Besonders auf dem Land, wo der ÖPNV fast eingestellt ist, bräuchte es viele kleine Busse. Es müsste eine strategische Entscheidung getroffen werden. 100 Milliarden Euro konnten über Nacht für die Rüstung ausgegeben werden. Ungefähr so viel Geld müsste für die Konversion der Automobilindustrie und die Entwicklung des öffentlichen Verkehrs in den ländlichen Räumen her.

Wäre Arbeitszeitverkürzung eine Alternative zu Entlassungen?

Unbedingt. Das ist eine bewährte Forderung gegen Massenentlassungen und Werksschließungen. Auf der Betriebsversammlung in Wolfsburg ist der Vorstand damit konfrontiert worden. Die Beschäftigten haben zu Zehntausenden skandiert: »Wir sind Volkswagen. Ihr seid es nicht.« Es gibt ein großes Selbstbewusstsein und einen hohen Anspruch der Beschäftigten, nicht als Objekte von Managementstrategien behandelt zu werden. Ich denke, die Belegschaften in allen VW-Werken sind kampfbereit.

Stephan Krull war bis 2006 16 Jahre Betriebsrat bei VW Wolfsburg, koordiniert den Gesprächskreis »Zukunft, Auto, Umwelt, Mobilität« der Rosa-­Luxemburg-Stiftung und ist Mitherausgeber des Buchs »Spurwechsel – Studie zu Mobilitätsindustrien, Beschäftigungspotenzialen und alternativer Produktion«

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  • Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (21. September 2024 um 17:05 Uhr)
    Die große Lüge sowie die permanente Manipulation bestehen darin, dass alle Akteure immer noch so tun, als wäre VW ein »deutsches« Unternehmen. Das Kapital ist längst international (= global vagabundierend) und nicht mehr national verortbar ergo standortgebunden. Den Großaktionären ist es folglich vollkommen egal, wo sie ihre avisierten Profite erzielen.

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