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Aus: Ausgabe vom 11.10.2024, Seite 6 / Ausland
Brief aus Jerusalem

Standhaft gegen Kolonialismus

Brief aus Jerusalem. Universität Birzeit übt Solidarität mit Hochschulen und Studenten in Gaza
Von Helga Baumgarten
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Geschafft: Studenten bei der Abschlussfeier an der Birzeit-Universität (Ramallah, 30.7.2023)

Ein Jahr Genozid in Gaza. Die israelischen Angriffe gehen ohne Unterbrechung weiter. Zuletzt die Meldung: Israel will Ärzte und Pfleger im Kamal-Adwan-Krankenhaus im Norden des Küstenstreifens zwingen, die Klinik zu verlassen und ihre Arbeit dort aufzugeben. Aber Direktor Hossam Abu Safia weigert sich: »Solange wir Patienten haben, werde ich nicht gehen. Ich bin hier seit Beginn des Völkermordes, und ich bin fest entschlossen, meinem Volk weiter zu helfen.«

Israel plant, den gesamten Norden Gazas »ethnisch zu säubern«, sprich alle Menschen dort – also mindestens 400.000 – zu vertreiben. Seit einem Jahr läuft die Mord- und Zerstörungsmaschine »israelische Armee« in Gaza und trifft Frauen und Kinder, Ärzte, Journalisten und nicht zuletzt Intellektuelle und Professoren sowie deren Studenten. Im Gazastreifen steht keine Universität mehr. Studenten können nicht mehr studieren.

Hier setzt die im Westjordanland gelegene Universität Birzeit ein mit ihrem Aufruf »Rebuilding Hope«, also »neue Hoffnung in Gaza zu ermöglichen, trotz der genozidalen Zerstörung«. Er zeigt deutlich, wie in Birzeit das vergangene Jahr verstanden wird: als Versuch, die Palästinenser regelrecht auszulöschen. In diesem Kontext, so der Aufruf, werden »Institutionen mit massiver Gewalt attackiert, jede Infrastruktur wird zerbombt; die Kultur wird zerstört, um die schlichte Existenz einer kollektiven nationalen Identität zu verhindern, (…) einschließlich jeder nationalen politischen Zukunft.«

Die Universität Birzeit sieht sich »moralisch wie national« gefordert und verpflichtet, gegen den zionistischen Siedlerkolonialismus voranzugehen. Das bedeutet nicht zuletzt die Betonung der Standhaftigkeit ihm gegenüber. Sie will eine aktive Rolle in Gaza ergreifen, »indem sie Universitäten, Akademikern und Studenten dort hilft, ihre zentrale Rolle in der Gesellschaft wieder einnehmen zu können«. Deshalb unterstützt Birzeit alle Universitäten in Gaza mit »institutioneller Synergie, akademischer Bildung sowie der Schaffung transformativen Wissens, das lokal verankert ist und in direkter Verbindung zu den materiellen und sozialen Voraussetzungen für den Wiederaufbau Gazas steht«. Birzeit sieht sich als »das Zentrum für palästinensische, arabische und internationale Initiativen zur Unterstützung der höheren Bildung in Gaza«.

An erster Stelle steht die Herstellung von Partnerschaften mit Universitäten in Gaza. Birzeit will eine regelrechte globale Koalition von Universitäten schaffen, die Akademiker in Gaza unterstützen, damit sie dort bleiben und ihre Hochschulen wiederaufbauen können. Zweitens muss eine enge Zusammenarbeit entstehen zwischen akademischen Lehrern in Birzeit und weltweit und ihren Kollegen in Gaza. Das heißt auch, dass Studenten in Gaza ein regelrechtes Fernstudium auf hohem Niveau aufnehmen können. Sie brauchen dazu psychologische und soziale Unterstützung. Ihre Abschlussarbeiten müssen betreut werden. Birzeit ist bereit, Studenten auch physisch aufzunehmen in dem Moment, in dem diese wieder aus Gaza ausreisen können.

Transformative Forschung ist das dritte Ziel, das Birzeit mit seiner Initiative anstrebt. Nur damit könne Gaza »materiell, sozial, kulturell und ökologisch wiederaufgebaut werden«. Dieser Aufbau, und das ist entscheidend, kann nur im lokalen kulturellen Kontext und auf der Basis palästinensischer politischer Souveränität erfolgen. Wiederaufbau durch internationale, letztlich koloniale Interventionen auf der Basis der Logik von Macht ist nicht nur kontraproduktiv – jeder Versuch in diese Richtung muss entschieden zurückgewiesen werden.

Am Schluss von »Rebuilding Hope« steht ein Aufruf an die Studenten in Gaza: »Macht hier einen Klick und füllt eure Bewerbung zum Onlinestudium in Birzeit aus.«

»Unser Wille ist unerschütterlich … Wir alle sind Gaza.«

kurzlinks.de/Initiative-Birzeit

Dies ist der 15. »Brief aus Jerusalem« von Helga Baumgarten, emeritierte Professorin für Politik der Universität Birzeit. Brief 14 über das »Fest der Solidarität« in Stuttgart erschien in der Ausgabe vom 5./6. Oktober.

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