»Umweltschäden werden ausgelagert«
Interview: Roland ZschächnerAm 15. Oktober plant der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) einen »Klimakongress« in Berlin. Sie hingegen planen Protest dagegen. Warum?
Wir wollen einerseits auf die Widersprüchlichkeit, um nicht zu sagen Verlogenheit der deutschen Industrie hinweisen. Für die Öffentlichkeit, insbesondere hier in der Bundesrepublik, präsentieren sich Vertreter der deutschen Industrie gern als überzeugte Klima- und Umweltschützer. Auch der angekündigte Kongress soll diesem Selbstbild dienen. Im Ausland hingegen werden Bergbauprojekte wie das in Serbien unterstützt, obwohl eine deutliche Mehrheit der serbischen Bevölkerung sich klar gegen dieses hochgefährliche Projekt ausgesprochen hat.
Sie meinen den geplanten Abbau von Lithium im westserbischen Jadartal?
Ja. Wir möchten auch auf die umweltpolitische Brisanz des Lithiumabbaus in Serbien aufmerksam machen sowie auf die Gefahren für die Wasserversorgung und auf die Langzeitfolgen, auf die führenden Experten von Beginn an hinweisen. Das wurde auch kürzlich auf einer Veranstaltung der Rosa-Luxemburg-Stiftung mehr als deutlich, dass nämlich der Abbau von Lithium unkalkulierbare Umweltrisiken mit sich bringt.
Lithium wird beispielsweise für die Elektromobilität benötigt, beim geplanten Abbau des Leichtmetalls in Serbien geht es also um viel. Ist es nicht ein notwendiger Schritt, den Klimaschutz voranzubringen?
Das Problem hierbei ist, dass negative Auswirkungen auf die Umwelt in die armen Länder der Peripherie ausgelagert werden, in diesem Fall nach Serbien. Den Verbrauchern der westlichen Staaten wird dadurch das Gefühl vermittelt, sie würden ganz ohne die Notwendigkeit einer Änderung ihres Konsumverhaltens etwas Positives für die Umwelt tun.
Wäre es nicht weitaus sinnvoller und umweltpolitisch nachhaltiger, den öffentlichen Nahverkehr auszubauen? Der aus dem ehemaligen Jugoslawien stammende Philosoph Boris Buden hat zu Recht davon gesprochen, dass wir es hier mit einem Versuch der Aufrechterhaltung eines westlichen Mittelklassestandards zu tun haben, der auf dem Rücken armer und peripherer Staaten bewerkstelligt werden soll.
In Serbien heißt es, mit dem Lithiumabbau werde es wirtschaftlich vorangehen; man werde sogar eine eigene Wertschöpfungskette etablieren. Warum zweifeln Sie daran?
Es wäre vollkommen irrelevant, würde nur ich daran zweifeln. Es geht darum, dass hier Falschinformation zum ökonomischen Mehrwert für die serbische Wirtschaft und vor allem die Bevölkerung lanciert werden.
Zum einen hat sich der serbische Staat gegenüber dem Bergbaukonzern Rio Tinto dazu verpflichtet, für die notwendige Infrastruktur zu sorgen. Allein das wird sehr hohe Kosten verursachen. Zum anderen bewegt sich der von relevanten Ökonomen berechnete Gewinn jährlich für den serbischen Staat lediglich im niedrigen zweistelligen Millionenbereich, und das bei unkalkulierbaren ökologischen Folgen.
Es sieht eher danach aus, dass Rio Tinto aufgrund seiner horrenden Investitionen in den Lithiumabbau das Projekt auf Gedeih und Verderb durchbringen möchte, während die westeuropäischen Industrieinteressen die politische Lobbyarbeit befeuern. Ein Umstand, der sich mit dem Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz im Juli in Serbien mehr als deutlich offenbart hat.
Scholz hatte damals unter anderem zusammen mit dem Chef von Mercedes-Benz ein Abkommen unterzeichnet, mit dem sich das serbische Lithium gesichert wird. Wie könnte das Vorhaben noch gestoppt werden?
Die einzige Möglichkeit, dieses Projekt noch zu stoppen, liegt in einer politischen Massenmobilisierung der serbischen Bevölkerung. Es gibt Anzeichen, dass dieses Thema das Potential hat, dies auch zu erreichen. Es gab schon diverse Massenproteste, und zwar im ganzen Land.
Die politische Elite Serbiens unter Führung des Autokraten Aleksander Vučić hat dies auch erkannt und versucht, durch Repressionen der Protestbewegung die Radikalität zu nehmen. Denn sollte dieses Projekt scheitern, ist das politische Ende des Vučić-Regimes eingeläutet.
Krunoslav Stojaković ist Referent im Europareferat der Rosa-Luxemburg-Stiftung.
Die Kundgebung findet am 15. Oktober um 17 Uhr in Berlin am Ludwig-Erhard-Ufer gegenüber dem Futurium statt
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!
Regio:
Mehr aus: Kapital & Arbeit
-
Mieter gegen Fonds
vom 14.10.2024 -
Boeing streicht 17.000 Stellen
vom 14.10.2024