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Aus: Ausgabe vom 14.10.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Mieterstreik in Spanien

Mieter gegen Fonds

Großdemo und Mieterstreik in Madrid: Rund 900 Familien weigern sich, unverhältnismäßige Forderungen von Investmentfonds zu bezahlen
Von Carmela Negrete
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Die Spanier demonstrieren auch gegen die Umwandlung von Wohnungen in Ferienapartments (Madrid, 13.10.2024)

Das war erst der Anfang. In Madrid demonstrierten am Sonntag nach Angaben der Veranstalter 150.000 Menschen für das Recht auf bezahlbaren Wohnraum. Unter dem Motto »Es reicht, senken wir die Mieten!« wird der Protest in den nächsten drei Wochen an mehreren Tagen an verschiedenen Orten der Stadt fortgesetzt. Ziel ist es, die Mieten im Schnitt um rund 50 Prozent zu senken. Das erscheint viel zu sein, doch die Mieterhöhungen der letzten Jahre lagen in den spanischen Großstädten deutlich darüber, da es bislang kaum Gesetze gibt, die die Steigerungen regulieren könnten. Ein Slogan der Demonstration lautete: »Madrid wird das Grab des Rentierkapitalismus sein.« Rund 40 Organisationen hatten aufgerufen, darunter die den Kommunisten nahestehende Gewerkschaft CCOO, die Plattform der Hypothekenbetroffenen (PAH) sowie Umweltorganisationen wie Ecologistas en Acción.

Parallel dazu findet ein sogenannter Mieterstreik in der Hauptstadt statt. Seit Juni sind ihm rund 900 Familien beigetreten, die in 42 Wohnblöcken wohnen, die dem Investmentfonds Nestar-Azora in Madrid gehören. Wie sie in einer Reportage der Tageszeitung El Salto erklärten, weigern sich die Mieter, unverhältnismäßige Konditionen zu zahlen, die der Vermieter von ihnen fordert. Dazu gehören zum Beispiel eine Mietausfallversicherung, Gemeinschaftskosten oder punktuelle Reparaturen des Gebäudes. Mit dem Streik fordert die Mietergewerkschaft Sindicato de Inquilinas die Regierung auf, »Maßnahmen zu ergreifen, die das Recht auf angemessenen und erschwinglichen Wohnraum schützen«.

Die Sprecherin der Gewerkschaft, Valeria Racu, erklärte zu Beginn der Demonstration am Sonntag in Madrid: »Wenn ihr die Preise weiter in die Höhe treibt, werden wir sie nicht mehr zahlen, und es wird keine Polizei, keine Gerichte und keine Securities mehr geben, die uns alle zwangsräumen können.« Es solle einen kompletten Mietstreik geben, wenn die Regierung nicht handele. Der Mietstreik hat in Spanien bereits eine lange Tradition: 1931 streikten rund 90.000 Familien aus Barcelona und zahlten zunächst keine Mieten mehr.

Die Wohnraumkrise ist eines der dringendsten Probleme der Spanier, obwohl laut Regierungsangaben vom Juli 2023 rund dreieinhalb Millionen Wohnungen im Land leerstehen. Viele Menschen finden vor allem in den Großstädten keine bezahlbaren Mieten, und die Preise sind derzeit so hoch wie nie zuvor, betont die Gewerkschaft, die eine Regulierung der Mietpreise fordert. Sie kritisiert auch, dass das Mietgesetz in Städten, in denen die rechtskonservative PP regiert, wie in Madrid, nicht angewendet wird. Nach wie vor sind Zwangsräumungen in Spanien weiterhin ein großes Problem. Rund 80 am Tag finden in ganz Spanien statt, und gelegentlich trifft es auch Alte, Kranke und Kinder – ohne dass es bereits eine Wohnalternative gäbe.

Die Gewerkschaft fordert außerdem, dass der Bestand an öffentlichen Wohnungen erhöht wird. Der Staat hatte die Banken vor dem Kollaps gerettet, indem er Häuser kaufte, deren Hypothekenschuldner sie nicht mehr bezahlen konnten. Doch bisher hat keine Regierung – auch nicht die von den Sozialdemokraten geführte – ein Interesse daran gezeigt, diese Wohnungen als Bestand für sozialen Wohnungsbau zur Verfügung zu stellen. Statt dessen werden sie weiter an Investmentfonds, die von den Aktivisten »Raubtierfonds« genannt werden, verkauft, die dann hohe Mieten verlangen.

Die Vorsitzende von Podemos, Ione Belarra, sowie weitere Abgeordnete der Oppositionspartei nahmen an der Demonstration teil. Belarra erklärte gegenüber Canal Red: »Wir sind hier, um etwas sehr Einfaches, aber auch sehr Wichtiges zu sagen, nämlich dass Wohnungen dafür da sind, darin zu leben.« In Spanien habe das Zweiparteiensystem jahrzehntelang zugelassen, dass Wohnungen zu Spekulationsobjekten geworden sind. »In Spanien muss es verboten werden, dass ›Raubtierfonds‹ und große Wohnungseigentümer weiterhin Wohnungen kaufen können. Außerdem fordern wir die sofortige Aussetzung der Nutzung von Wohnungen als Ferienapartments und eine dringende Mietsenkung, die per Dekret angeordnet werden könnte.«

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