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Aus: Ausgabe vom 17.10.2024, Seite 5 / Inland
Krankenhausreform im Bundestag

Krankenhausreform bedeutet Schmalspurqualität

Ein Kommentar von
Von Laura Valentukeviciute
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Seit Jahren schmückt sich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) mit dem Thema Qualitätssteigerung. Bereits 2004 war er an der Einführung der DRG-Fallpauschalenfinanzierung maßgeblich beteiligt. Das erklärte Ziel war schon damals die Verbesserung der Qualität der Gesundheitsversorgung. Im Ergebnis hat die Einführung der DRG-Fallpauschalen vor allem zu mehr Kommerzialisierung und Privatisierung geführt. Dies geht einher mit einem enormen Zeitdruck, überbordender Bürokratie und einer Unterfinanzierung der Krankenhäuser der Allgemein- und der Notfallversorgung.

Für die jetzt geplante Reform, über die der Bundestag diesen Donnerstag abstimmen will, wirbt Lauterbach wieder einmal mit der Verbesserung der Qualität. Aber auch diesmal ist abzusehen, dass die Reform, so wie sie geplant ist, dies nicht bringen wird. Im Gegenteil. Sie wird vor allem dazu führen, dass viele Krankenhäuser, insbesondere auf dem Land, aber auch in den Städten, geschlossen werden und die Versorgung dadurch stark ausgedünnt wird. Prognostiziert werden zwischen 40 und 50 Schließungen pro Jahr, in den nächsten zehn Jahren sollen dadurch 400 bis 500 Krankenhäuser der Allgemeinversorgung dichtgemacht werden. Die wohnortnahe Krankenhausversorgung und insbesondere die lebensentscheidende Erstversorgung bei Notfällen werden an vielen Orten nicht mehr möglich sein. Wer das Qualitätssteigerung nennt, hat gelinde gesagt einen sehr engen Qualitätsbegriff.

Die Qualitätssteigerung im Sinne von Lauterbach soll vor allem durch mehr Spezialisierung und die Einführung von Leistungsgruppen erreicht werden. Beides dient in dem durchökonomisierten Krankenhaussystem von heute vor allem den Interessen der privaten Konzerne und führt zu weiteren Privatisierungen. Die privaten Akteure gründen Fachkliniken und spezialisieren sich auf die lukrativeren Bereiche wie Orthopädie oder Herzchirurgie. Schon heute sind 37 Prozent aller Krankenhäuser deutschlandweit Spezialkliniken. Diese tragen weder zur Allgemein- und Notfallversorgung noch zur Versorgung der Patientinnen und Patienten bei größeren Katastrophen oder Pandemien bei. Gleichzeitig höhlen sie die Allgemeinversorgung aus, weil sie häufiger Ausgründungen der einzelnen Bereiche sind, die früher den Gesamtbetrieb eines Krankenhauses mitgetragen haben. Wenn in einer Region statt eines Allgemeinversorgers eine Fachklinik mit Spitzenleistungen im Bereich Knieprothesenersatz steht, ist das für Lauterbach eine Qualitätssteigerung. Für Familien mit kleinen Kindern, Herzpatienten, ältere Menschen mit multiplen Leiden, Notfallpatienten und viele anderen ist es eine Katastrophe.

Auch die Leistungsgruppen dienen im Rahmen dieser Reform lediglich als Schließungsinstrument. Nach bestimmten eng gefassten und großteils mengenorientierten Kriterien soll festgelegt werden, welches Krankenhaus welche Leistungen anbieten darf. Hier sind wieder die kleineren Allgemeinversorgungskrankenhäuser besonders gefährdet. Nach der Reform werden viele dieser Häuser die verschärften Leistungsgruppenkriterien nicht mehr erfüllen und schließen müssen. Der Gesundheitsminister von Niedersachsen hat das am Beispiel der Kindermedizin deutlich gemacht: Es gibt derzeit sechs Kliniken in Niedersachsen, die die Kinderchirurgie anbieten. Die Reform gibt vor, statt aktuell drei in der Zukunft fünf Fachärztinnen und -ärzte für die Kinderchirurgie vorzuhalten. Aber diese Fachrichtung ist selten, und die vorgegebenen Mengen würde dann nur eine einzige Klinik erfüllen.

Trotz solcher Kritik halten die Länder im großen und ganzen am Reformvorhaben fest. Denn für sie bringt die Reform einen entscheidenden Vorteil: Bei weniger Kliniken müssten sie auch weniger Investitionskosten tragen. Dazu sind sie eigentlich gesetzlich verpflichtet, nur kommen sie dieser Pflicht seit Jahren nicht ausreichend nach.

Bei der Vorstellung der finalen Version des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes haben sich alle Regierungsparteien demonstrativ hinter die Reform gestellt. Kein Wunder, denn die Reform ist so neoliberal, dass auch die FDP sicher zufrieden ist. Aber ein neoliberaler Kahlschlag ist keine Qualitätssteigerung. Lauterbach missbraucht diesen enorm dehnbaren Begriff und bedient damit Partikularinteressen. So ein Minister dürfte nicht im Amt bleiben.

Laura Valentukeviciute ist Sprecherin vom Bündnis Klinikrettung

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