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Aus: Ausgabe vom 19.10.2024, Seite 6 / Ausland
Brief aus Jerusalem

Ein schwieriger Weg

Brief aus Jerusalem: Rückkehr in das von Israel besetzte Gebiet
Von Helga Baumgarten
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Das Passieren der Allenby-Brücke ist eine von wenigen Möglichkeiten, aus dem Ausland ins besetzte Palästina zu gelangen (8.9.2024)

Auch wenn die im September von der Agentur der Europäischen Union für Flugsicherheit (EASA) ausgegebene Empfehlung, den Flugraum über Israel und Libanon bis Ende Oktober zu meiden, wieder zurückgenommen wurde, ist der Weg aus Europa zurück nach Jerusalem schwierig. Denn die großen europäischen Fluglinien wie Lufthansa oder British Airways bieten auch weiterhin keine Flüge zum Flughafen Ben-Gurion – gelegen zwischen Tel Aviv und Jerusalem – an.

Die Alternative (falls man das Risiko einer Buchung bei der israelischen Linie El Al nicht eingehen möchte, bei der man riskiert, in Athen oder Zypern zu stranden und sich dann in den Kampf aller gegen alle zu stürzen, um einen Weiterflug nach Tel Aviv zu ergattern), die einem bleibt, ist der Weg über den Königin-Alia-Flughafen in Jordaniens Hauptstadt Amman und von dort die Fahrt über die Allenby-Brücke Richtung Jerusalem bzw. in die Westbank.

Dazu muss man wissen, ob überhaupt und falls ja, wann genau die Brücke offen ist und man aus Jordanien nach Palästina einreisen kann, präziser: in das von Israel besetzte Palästina, weshalb man von israelischen Armeeangehörigen, Zollbeamten und Grenzpolizisten kontrolliert wird, nicht von Palästinensern. Man sollte also vorab genau eruieren, dass man nichts im Koffer hat, das möglicherweise unerlaubt ist.

Wegen der Serie von jüdischen Feiertagen im Oktober war die Brücke längere Zeit geschlossen, am Schabbat (sonnabends) ist sie es ohnehin, und auch am Freitag ist sie nur wenige Stunden geöffnet. Also war mein Plan wie der vieler anderer, die in Europa oder in den USA gestrandet sind, Mitte der Woche nach Amman zu fliegen und am Donnerstag oder Freitag über die Brücke weiterzufahren.

Für Palästinenser aus dem besetzten Ostjerusalem oder der Westbank sind viele zusätzliche Bestimmungen zu beachten. Entscheidend ist, wie lange man sich außerhalb der besetzten palästinensischen Gebiete aufhält. Zwei Jahre sind das Limit. Vorher sollte man entweder zurück im Lande sein oder im Falle eines Studiums im Ausland die Einreisedokumente bei einer israelischen Botschaft erneuern. Wer dies verpasst, verliert schlicht und einfach seine Papiere, sei es den Jerusalemer Personalausweis oder die Rückreiseerlaubnis für Menschen aus der Westbank (und vor dem Krieg auch für die Menschen in Gaza).

Aus Amman fährt man entweder mit einem Bus oder mit einem Taxi zur Allen-by-Brücke. Dort wird dann getrennt zwischen Palästinensern und internationalen Reisenden. Und man kann entscheiden, ob man »normal« über die Brücke fährt, also mit einem anderen Bus, der nur von der einen Seite des Jordan zur anderen pendelt (langwierig, kann manchmal Stunden dauern, je nach Andrang), oder mit dem VIP-Shuttle. Dafür gibt es eine getrennte Abfertigung, die schneller ist, aber auch ins Geld geht: etwa 97 Jordanische Dinar, umgerechnet rund 126 Euro.

Wenn man diesen Obolus errichtet hat, geht es zügig weiter in einem Minibus. Auch dann wird man auf der israelischen Seite kontrolliert: erst das Gepäck, dann der Pass. Israelische VIP-Angestellte bringen einen dann in den VIP-Raum, wo man kurz durchatmen kann: Getränke, Kaffee, Toiletten, alles gibt es dort. Danach wird man problemlos weitergeleitet nach Jerusalem oder Richtung Ramallah in der Westbank (über Jericho, wo man eine weitere – diesmal palästinensische – Kontrolle überstehen muss). VIP gilt freilich nicht für Palästinenser. Westbankbewohner bleiben Westbankbewohner und werden an der Brücke entsprechend behandelt.

Von dort nimmt man entweder den Weg per Bus über Jericho oder aber ein Taxi direkt von der Brücke nach Jerusalem. Die Preisunterschiede sind erheblich. Zeitersparnis und Bequemlichkeit kosten Geld.

Dies ist der 16. »Brief aus Jerusalem« von Helga Baumgarten, emeritierte Professorin für Politik der Universität Birzeit. Brief 15 über die Universität Birzeit erschien in der Ausgabe vom 11. Oktober

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