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Aus: Ausgabe vom 19.10.2024, Seite 8 (Beilage) / Wochenendbeilage

French Martini

Von Maxi Wunder

Die Möglichkeit, sich an Grausamkeiten zu ergötzen, gab es schon im alten Rom, live in Gestalt von Gladiatorenspielen und Christenauffressungen, damals noch für keinen besseren Zweck als den der Unterhaltung. Heute können wir Schlachtfesten auf »Social Media« beiwohnen – in Abu Ghraib etwa, in Nahost oder in Ganznahost, im Namen von Demokratie und Menschenrechten, von Freiheit und Sicherheit, als Abschreckung, als Notwehr, als Vergeltung, als Entnazifizierung, Entarabisierung, Entjudaisierung, Entrussifierung, kurzum als Eliminierung von allem, was den jeweils anderen stört. Nicht völlig Verrohten wird davon abgeraten, diese Kurzfilme zu schauen, da man anschließend nicht mehr zu der Spezies Mensch gehören möchte.

Was liegt da näher als »zu suchen und erkennen zu lernen, wer und was inmitten der Hölle nicht Hölle ist, und ihm Dauer und Raum zu geben«?

Der vielzitierte Satz, gesprochen von der Figur Marco Polo in Italo Calvinos Roman »Le città invisibile«( »Die unsichtbaren Städte«) von 1972 führt uns heute unmittelbar nach La Chapelle-Saint-Mesmin im Département Loiret, einen Ort in Frankreich bei Orléans. Hier befindet sich die Firma Duralex, die seit 1945 robuste Gläser herstellt, ohne die die französische Gastronomie nicht die französische Gastronomie wäre. Und die seit diesem Sommer im Besitz der Belegschaft ist! Konkret heißt das: Mit 500 Euro ist eine Duralex-Kollegin heute Mehrheitsaktionärin des Unternehmens, in dem sie arbeitet.

Und das kam so: Von mehreren Übernahmen und Insolvenzverfahren gebeutelt wurde die Produktion bei Duralex eingestellt, auch infolge der gestiegenen Energiepreise. Zwei Unternehmen boten sich an, die Firma zu »sanieren« – mit Personalabbau. Doch die Mitarbeiter von Duralex legten dem zuständigen Handelsgericht in Orléans ihren Plan vor, eine Produktionsgenossenschaft zu gründen – ohne Personalabbau. Das Gericht entschied für die Genossenschaft. Über 60 Prozent der 230 Beschäftigten zeichneten bisher für die Genossenschaft für insgesamt 60.000 Euro. Hinzu kamen Bankkredite und Zuwendungen aus öffentlicher Hand. Die Erleichterung der Belegschaft ist so groß wie ihre neugewonnene Motivation, sich für die Firma einzusetzen. Die Coole Wampe wünscht den Kolleginnen in La Chapelle-Saint-Mesmin allzeit gute Gewinne und erhebt ihr Duralex-Glas auf den Sozialismus mit einem »French Martini«, serviert in einem 25-Zentiliter-Cocktailglas aus der Serie »Le Picardie«. Die satinierten Gläser sind erhältlich in dezentem Transparent, Vermeil und Grau.

45 ml Wodka, 15 ml Himbeerlikör, 15 ml Ananassaft und Eis in einen Cocktailshaker geben und kräftig schütteln. In das gekühlte Cocktailglas abseihen und wahlweise mit einer Himbeere oder einer Ananasscheibe garnieren.

Was inmitten des Kapitalismus nicht Kapitalismus ist, dem sei Raum und Dauer gegeben, in Frankreich und überall! Das schmeckt mit einem »Crottin de Chavi­gnol«: Ofen auf 180 °C vorheizen, Ziegenbrie auf mit Backpapier ausgelegtes Backblech legen und mit etwas Honig bestreichen. Backen, bis der Käse zu laufen beginnt. Herausnehmen und auf einem Salatbett mit Walnusskernen servieren.

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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

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