Außer »sparen« kaum Ideen
Von Gudrun GieseDer Arbeitskreis Steuerschätzungen hat am Dienstag in Gotha mit seinen Beratungen für die diesjährige Herbstprognose der Steuereinnahmen von 2024 bis 2029 begonnen. Das aus Politikern, Mitarbeitern aus Wirtschaftsinstituten und Behörden bestehende Gremium kommt zweimal jährlich, im Frühjahr und im Herbst, zur Steuerschätzung zusammen. Diese dient als Grundlage für die Planung der Haushalte von Bund, Ländern und Kommunen. Am Donnerstag soll Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) die ermittelten Daten bekanntgeben.
Es sei aber bereits vorab erkennbar, dass die Steuereinnahmen weiter sinken werden, erklärte Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbandes VdK. So würde bereits über weitere Kürzungen beim Bundeshaushalt debattiert. »Wenn das Geld knapp wird, gibt es zwei Möglichkeiten: sparen oder mehr einnehmen«, sagte Bentele dazu. »Ich kann nicht nachvollziehen, warum sich die Bundesregierung immer nur auf die erste Möglichkeit versteift, ohne die zweite überhaupt in Erwägung zu ziehen.«
Unbegrenztes Sparen beim Bundeshaushalt könne nicht die Antwort auf die vielen dringenden Probleme sein. »Vor allem die Sozialleistungen dürfen – anders als manch ein Populist behauptet – nicht weiter zusammengestrichen werden«, forderte die VdK-Präsidentin. Seit einem Jahr drehe sich die öffentliche Debatte bei sozialen Aufgaben nur noch um Kosten. Für manche spiele der tatsächliche Bedarf von armen Menschen, Pflegebedürftigen und deren Angehörigen sowie von Kindern und Jugendlichen keine Rolle mehr. Doch die Bundesregierung solle sich hüten, in diesem Bereich noch mehr zu sparen. Viel besser wäre es, die Einnahmen zu erhöhen, um die Haushaltslöcher zu stopfen. Dazu könne der Staat einfach das ihm zustehende Geld eintreiben, da nach Expertenschätzung jedes Jahr rund 100 Milliarden Euro durch Steuerhinterziehung und -vermeidung verloren gingen. »Hier muss der Staat eingreifen und endlich Gerechtigkeit herstellen«, so Bentele.
Außerdem setzt sich der VdK dafür ein, dass die Vermögensteuer wieder erhoben wird. Ebenso müsse die Erbschaftssteuer überprüft werden, da derzeit hohe Erbschaften denen zugute kämen, die ohnehin schon wohlhabend seien. Es sei geboten, die Erbschafts- und Schenkungssteuer sozial gerecht auszugestalten. Oberhalb – hoher – Freibeträge müssten alle Vermögensarten in die Besteuerung einbezogen werden. Ein gerechtes Steuersystem sei überfällig. »Es ist nicht verständlich, warum die Reichsten der Reichen so wenig zum Gemeinwohl beitragen«, kommentierte die VdK-Präsidentin.
Unterdessen hat Rainer Dulger, Präsident der »Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände«, zum Auftakt der Jahrestagung des Kapitalverbands in Berlin grundlegende Reformen von der Bundesregierung gefordert, damit der Standort wettbewerbsfähiger werde. Fortschritt im Kampf gegen die Bürokratie sowie Begrenzung der Sozialabgaben nannte er als geeignete Rezepte. Außerdem sei die Politik in der Pflicht, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und die Bildung im Zeitalter generativer »künstlicher Intelligenz« neu auszurichten.
Die demokratischen Parteien müssten ein besseres Angebot machen als bisher. Das »starke Abschneiden der populistischen Ränder« sei für ihn als »Bürger, als Unternehmer und als Arbeitgeberpräsident nur schwer erträglich«. Eher zurückhaltend blieb Dulger mit Ideen, wie die Unternehmen und ihre Gremien den Standort aus der Krise bringen könnten. Auch kein Wort zu ihrem Beitrag, durch Modernisierung und Zukunftsfähigkeit für höhere Steuereinnahmen des Staates zu sorgen, wodurch ja erst alle geforderten Maßnahmen realisierbar würden.
Der beim Verbandstag anwesende Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) blieb denkbar unverbindlich in seiner Rede. Deutschland sei ein starkes Land. Man müsse aus der aktuell »unguten Lage herauskommen«, zitierte ihn der Deutschlandfunk. Zu diesem Zweck habe die Bundesregierung die Wachstumsinitiative beschlossen. Obendrein kämen im Oktober Spitzenvertreter aus Unternehmen, Politik, Gewerkschaften und Verbänden zusammen, um zu einem gemeinsamen Konsens zu finden. Rosige Aussichten.
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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Rainer Erich K. aus Potsdam (22. Oktober 2024 um 21:48 Uhr)Die »Experten« kreisen um den heißen Brei und dürfen nicht Tacheles reden. Dabei ist die Sache relativ einfach: Bekanntlich kann jeder Euro nur einmal ausgegeben werden. Wenn man sich also auf der Ausgabenseite entschlossen hat, einem neofaschistischen Regime in Kiew Milliarden Euro in den unersättlichen Rachen zu werfen und auf der Einnahmeseite die Steuern versiegen, weil insbesondere energieintensive Betriebe insolvent werden oder Abwandern, dann stellt sich das Dilemma ziemlich transparent dar. Da die Transatlantiker dieses Landes aber gerade einem Kriegstreiber und Staatsterroristen den Bundesverdienstorden verliehen und damit dokumentiert haben, dass sie einerseits weiter das Regime des Selenskyj mit Geld- und Waffengeschenken füttern und andererseits die Aufklärung des Terroraktes an der Energieversorgung weiter hintertreiben werden, wird sich an der Situation nichts ändern. Bleibt nur noch der Weg, das Geld bei den Armen und Bedürftigen einzutreiben, denn die Milliardäre und Millionäre bleiben ja als angebliche »Leistungsträger« außen vor.
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