Milliarden für SUV statt ÖPNV
Von Wolfgang PomrehnSeit rund 40 Jahren ist bekannt, dass der Verbrauch fossiler Energieträger drastisch eingeschränkt und letztlich schon bald beendet werden muss, wenn das Klimasystem der Erde nicht aus dem Ruder laufen soll und unabsehbare Gefahren für Küstenstädte und Welternährung heraufbeschworen werden sollen. Seit mehr als 30 Jahren gibt es internationale Verhandlungen darüber, wie demnächst wieder in Aserbaidschans Hauptstadt Baku. Doch trotzdem wird der Gebrauch von Benzin und Diesel noch immer massiv steuerlich begünstigt. Auch hierzulande.
Das hat einmal mehr eine im Auftrag des Netzwerks Transport and Environment (englisch für Verkehr und Umwelt, T & E) durchgeführte Untersuchung ergeben. Demnach werden Anschaffung und Betrieb von dieselbetriebenen Dienstwagen in der BRD mit jährlich rund 13,7 Milliarden Euro vom Fiskus unterstützt. Damit liegt Deutschland in der EU an zweiter Stelle, was die klimaschädliche Förderung von Firmenwagen angeht. Nur in Italien wird mit 16 Milliarden Euro jährlich noch mehr ausgegeben. Untersucht wurden die sechs größten Automobilmärkte Westeuropas. Heraus kam, dass dort Jahr für Jahr 42 Milliarden Euro den Betreibern von Dienstfahrzeugen mit Diesel- oder Ottomotor geschenkt werden. Die Instrumente, mit denen dies geschieht, heißen Vorsteuerabzug, Abschreibungen und Pauschalbesteuerung.
Als sei das noch nicht genug, gibt es mehr Steuervorteile, je größer ein Fahrzeug ist. Die Betreiber von SUV-Dienstwagen, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden, können jährlich mit 6.477 bis 8.544 Euro rechnen, schreibt T & E in einer Pressemitteilung. Entsprechend wird rund ein Drittel der oben genannten 13,7 Milliarden Euro jährlich für die Förderung von SUV aufgebracht. Da wundert es nicht, dass die Mehrzahl der neu zugelassenen Pkw-Giganten auf Firmen und nicht auf Privatpersonen zugelassen wird.
Ohnehin entfallen hierzulande inzwischen zwei Drittel aller Neuzulassungen auf gewerbliche Fahrzeuge. Der Pkw-Markt scheint übersättigt, und die üppige Förderung der Dienstwagen – rund die Hälfte der neu zugelassenen gewerblichen Kraftfahrzeuge – ist offensichtlich nicht zuletzt ein Mittel, um die Dividenden der Piëchs (VW) und Quandts (BMW) mit den Milliardensummen zu sichern. Das Ziel ist offenkundig, für einen Teil zum Absatz der deutschen Autoindustrie beizutragen.
Zum Vergleich: Das Neun-Euro-Ticket, mit dem im Sommer 2022 jedermann für drei Monate im ganzen Land den öffentlichen Nahverkehr sowie den Regionalverkehr nutzen konnte, kostete den Bund seinerzeit 2,5 Milliarden Euro. Umgerechnet aufs Jahr wären das zehn Milliarden Euro gewesen, also immer noch weniger als der Preis, den die Regierung nur zu willig für die Klimazerstörung per Dienstwagen zahlt. Dennoch war es Finanzminister Christian Lindner (FDP) zu viel, weshalb sich Bund und Länder schließlich auf das 49-Euro-Ticket einigten, das es seit Mai 2023 gibt.
Sowohl die Länder als auch Berlin haben dafür jeweils 1,5 Milliarden Euro an die Verkehrsbetriebe überwiesen, zusammen also etwa ein Viertel dessen, was für die Dienstwagenprivilegien ausgegeben wird. Auf Dauer hätte ein wenig mehr zugeschossen werden müssen, wozu sich Lindner jedoch nicht bereit erklären wollte. Deshalb wird das Ticket, nach Beschluss der Verkehrsminister von Bund und Ländern, ab dem 1. Januar nun monatlich 58 Euro kosten und damit weiter an Attraktivität verlieren.
Auch sonst mangelt es nicht an Ideen, wie man die 13,7 Milliarden Euro im Verkehrssektor klimafreundlicher einsetzen könnte. Der Sanierungsbedarf bei Bus und Bahn ist enorm, und die Produktion der schwächelnden Autokonzerne – VW hatte kürzlich Entlassungen und Betriebsschließungen angekündigt, um seine Profitrate auf sechs Prozent zu steigern – könnte durchaus auf Elektrobusse und vielleicht ja auch auf Straßenbahnen umgestellt werden. Auch ein Wiederausbau des Schienennetzes, wie es kürzlich ein Bündnis aus verkehrs- und umweltpolitischen Organisationen nach Jahrzehnten des Kahlschlags eingefordert hat, wäre dringend geboten.
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Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (22. Oktober 2024 um 17:49 Uhr)Aber nicht nur der Ausbau der Bahn wird so verzögert und das Klima weiter unnötig schwer belastet, auch die deutsche Autoindustrie subventioniert sich selbst zunehmend aus dem internationalen Markt hinaus, indem sie das längst überfällige Ende des Verbrenners weiter vor sich herschiebt. Und das sogar mit äußerster krimineller Energie in Form gezielter Abgasmanipulationen. Am Ende hat ein Martin Winterkorn VW und der gesamten Branche sowie dem ganzen Land mehr geschadet als genutzt und dafür auch noch zig Millionen kassiert.
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