Aus Leserbriefen an die Redaktion
Orden I
Zu jW vom 15.10.: »In Haft im freien Westen«
In Veröffentlichungen des Bundesinnenministeriums zu den in Deutschland zugelassenen Orden gibt es die bildliche Darstellung einer Schlangengrube mit Schlangen, in die ein Schwert von oben hineinstößt. Dieses »Bandenkampfabzeichen« zeigte die Entmenschlichung des Gegners; die Schlangen symbolisierten auch unbewaffnete Zivilisten, auch kleine Kinder. Dem Bandenkampf genannten Massenmord fielen in den von Nazideutschland besetzten Gebieten Millionen Menschen zum Opfer. Und der Orden, der dafür gestiftet wurde, darf laut Kommentar zum Ordensgesetz noch immer legal getragen werden. Aus dem Erlass von Hitler und Himmler vom 29. Januar 1944 für das »Bandenkampfabzeichen« geht klar hervor, dass Belohnung für Massenmord gemeint ist.
Als die VVN-BdA forderte, allen überlebenden deutschen Soldaten im In- und Ausland (z. B. baltische Staaten) die Rente abzuerkennen, weil sie Träger des »Bandenkampfabzeichens« waren, da wurde dies von der Regierung abgelehnt. Nun zum achthöchsten Orden der DDR, den – wie die Medien schrieben – Manfred N. erhielt: Weil er diesen zeitnah zum Fall der Erschießung eines Bombenbauers an der Grenze zu Westberlin erhielt, gilt dies als Beweis, dass N. der Stasischütze war.
Zu den Trägern des »Bandenkampfabzeichens« lautete die Forderung der Antifaschisten nur, ihnen die Rente zu entziehen, noch nicht einmal, sie zu bestrafen, obwohl ihre Mordtaten aktenkundig waren. Ich möchte das nicht weiter kommentieren, außer so: Bomben besitzende Terroristen haben auch im heutigen Deutschland wenig Chancen, die Begegnung mit der bewaffneten Staatsmacht zu überleben.
Ulrich Sander, Dortmund
Buchhandel im Faschismus
Zu jW vom 19./20.10.: »Wie der Frieden, so der Preis«
Als jemand, der sein ganzes Berufsleben in der Buchwirtschaft verbracht hat und auch mit und in den Gremien dieser Branche tätig war, muss ich an einer Stelle dem Autor Reinhard Lauterbach widersprechen: Im Artikel heißt es »Mit dem Buchhandel wurde eine Branche als offizieller Patron des Preises gewählt, die sich unter dem Naziregime relativ wenig kompromittiert hatte«.
Es sei daran erinnert, dass bereits im Mai 1933 (!) die Branchenorganisation, also der Börsenverein, voller Stolz dem Minister Goebbels und der Reichsschrifttumskammer meldete, dass »der deutsche Buchhandel judenrein sei und alle Firmen nunmehr unter deutscher Leitung stünden«. Auch sei angemerkt, dass die Arisierungsvorgänge nicht nur in großem Maße, sondern oft auch mit gelindem oder auch stärkerem Druck stattfanden und es nach 1945 oft nicht zur Zurücknahme der Übernahmen kam. Das lag auch daran, dass nicht wenige der früheren Besitzer von Buchhandlungen und Verlagen die faschistische Herrschaft über große Teile Europas nicht überlebt hatten.
Herbert Becker, Aachen
Orden II
Zu jW vom 19./20.10.: »Der amerikanische Patient«
Am Donnerstag und Freitag vergangener Woche hatte ich Gelegenheit, wieder einmal an Fulgencio Batista zu denken. Batista war der von 1952 bis 1958 diktatorisch regierende Staatspräsident Kubas. In seiner Amtszeit hat er Tausende Gegner seines Regimes fürchterlichen Folterungen unterzogen und viele von ihnen zur Abschreckung aus Flugzeugen geworfen. Dieser veritable Menschenschlächter hat für seine »Verdienste« 1957 von der BRD den höchsten, nur ganz selten vergebenen Orden bekommen. Er nennt sich »Sonderstufe des Großkreuzes des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland«. Nur ein Jahr später hat Fidel ihn aus dem Land geworfen.
Alleiniger Sinn und Zweck des Staatsbesuchs Bidens am 18. Oktober in Berlin war, ihm ebendiesen Orden um den Hals zu legen. Aber ich will den Einfluss seiner Präsidentschaft auf die Weltpolitik angesichts seiner faktisch bereits untergegangenen Sonne nicht überhöhen. Dennoch dürfte »Sleepy Joe« stolz darauf sein, zu wissen, in welcher Tradition er steht. Auf seiner »Habenseite« steht u. a. die Ankündigung, Nord Stream 2 zu zerstören (was dann auch bald geschah) – mit dem neben ihm stehenden und grinsenden Bundeskanzler. Nicht zu vergessen, die Sanktionen, die er seinem Premiumvasallen zwecks Deindustrialisierung aufnötigte. Doch Undank ist der Welten Lohn. Christoph von Marschall vom Tagesspiegel vermisste beim Besuch die Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger, die, mit US-Fähnchen bewaffnet, die Straßenränder hätten säumen müssen, um den Präsidenten zu ehren, weil doch »die Deutschen ihm so viel zu verdanken« hätten. Eine solche Ehre hat in Erinnerung an JFK nicht stattgefunden. Marschall müsste sagen: »Gut so.« Denn die Gefahr, dass Biden mit faulen Eiern und Tomaten bombardiert hätte werden können, war zu groß. Deshalb fand die Ehrung unter dem Schutz der »auf den Dächern sitzenden Scharfschützen, kreisenden Helikoptern, Panzerwagen und Schnellboten auf der Spree«, so Philip Tassev, unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.
Hans Schoenefeldt, per E-Mail
Luftschlösser
Zu jW vom 17.10.: »Luftnummer vorm Absturz«
Na ja, mit den Innovationen ist das so ein eigen Ding. In Brandenburg steht nahe dem Spreewald eine riesige ehemalige Luftschiffhalle als dauernde Mahnung daran, dass sich manch Hochgepriesenes auch schnell zur schlichten Luftblase entfalten kann. Dort kann man jetzt – ein wenig teuer erkauft – wenigstens in Tropenatmosphäre baden. Was aber macht man mit lauter Lufttaxis, die nicht fliegen?
Joachim Seider, Berlin
In Brandenburg steht nahe dem Spreewald eine riesige ehemalige Luftschiffhalle als dauernde Mahnung dafür, dass sich manch Hochgepriesenes auch schnell zur schlichten Luftblase entfalten kann.
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!