In Belgien geht was
Von Gerrit HoekmanRund 32.000 Menschen haben am Sonntag nach Angaben der Polizei in Brüssel für einen Waffenstillstand in Gaza und im Libanon demonstriert. Die Veranstalter zählten über 70.000 Teilnehmende. Auch die belgischen Gewerkschaften waren mittenmang. »Israel verstößt seit Jahrzehnten ungestraft gegen das Völkerrecht. Nur internationaler Druck kann dies beenden und dem palästinensischen Volk Gerechtigkeit bringen«, stellte die sozialistische Gewerkschaft ABVV-FGTB vorab auf ihrer Internetseite fest.
Die Forderungen sind klar: sofortiger und dauerhafter Waffenstillstand, Schutz aller Zivilisten und Freilassung aller Gefangenen. Die völkerrechtswidrige »Besetzung und Kolonisierung der palästinensischen Gebiete« müsse genauso beendet werden wie die »Apartheidpolitik«. Das sei nur durch politischen und wirtschaftlichen Druck möglich. Die ABVV-FGTB verlangt ein umfassendes Waffenembargo gegen Israel. Die belgische Regierung müsse sich außerdem für ein Aussetzen des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und Israel stark machen, um Handel und Investitionen zu behindern beziehungsweise zu verbieten. Jede Kooperation mit den illegalen israelischen Siedlungen auf der Westbank müsse komplett verboten werden. Die ABVV-FTGB unterstützt Südafrikas Klage gegen Israel vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag.
»Als Gewerkschafter sind wir solidarisch mit dem palästinensischen Volk, seinen Gewerkschaften und Beschäftigten, die ebenfalls unter den wirtschaftlichen und menschlichen Folgen der Besatzung und des Völkermordes schwer zu leiden haben«, erklärte »Jong ABVV«, die flämische Jugendorganisation der sozialistischen Gewerkschaft auf ihrer Homepage, warum ein geschlossener Block der Gewerkschaft auf der Solidaritätsdemo wichtig war.
»Jegliche Verherrlichung von Kriegsverbrechen, Angriffe auf Zivilisten oder jegliche Äußerung von Antisemitismus, Islamophobie und jeder anderen Form von Rassismus führt zum Ausschluss«, erinnerte der Gewerkschaftsnachwuchs die Teilnehmenden an den Verhaltenskodex. »Nur die palästinensische Nationalflagge ist erlaubt.« Alle hielten sich daran. Soweit bekannt, gab es keine Zwischenfälle. Die Demonstrierenden riefen nur friedlich, aber lautstark ihre Parolen.
Die belgischen Gewerkschaften sprachen sich mit als erste in Europa gegen Waffenlieferungen an Israel aus. »Wir, die verschiedenen im Bereich der Bodenabfertigung tätigen Gewerkschaften, rufen unsere Mitglieder auf, die Abfertigung von Flügen einzustellen, die militärisches Gerät transportieren«, hieß es bereits im November 2023 in einer gemeinsamen Erklärung.
Hier und dort streuen Werktätige tatsächlich Sand ins Getriebe der Kriegsmaschinerie. Zuletzt ist das in der Nacht zum 19. Oktober im griechischen Piräus gelungen, wo Dockarbeiter die Verladung von Munition für Israel verhindert haben.
Die Gewerkschaften in Deutschland verfechten zwar die Zweistaatenlösung und fordern einen sofortigen Waffenstillstand, üben aber nur wohltemperierte Kritik am israelischen Vorgehen im Gazastreifen. »Häufig werden politische Äußerungen in Gewerkschaften, insbesondere zu Themen rund um Krieg und Migration, damit zurückgehalten, dass es ›nur‹ um Arbeitsthemen gehen sollte oder darf«, beschwerte sich der Landesverband Berlin der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) Anfang Juli. Die GEW-Bundesgeschäftsstelle reagierte zwei Wochen später mit einem weiteren zahnlosen Appell: »Die israelische Regierung muss ihrer Verantwortung umgehend nachkommen, die Zivilbevölkerung in Gaza zu schützen, deren Versorgung sicherzustellen und die bestehende humanitäre Katastrophe zu beenden.«
Manche an der Basis haben die wohlfeilen Worthülsen satt. Die Waffenlieferungen an Israel müssten umgehend gestoppt werden, verlangt etwa das Berliner Netzwerk »Gewerkschafter:innen für Gaza«. Und in einem offenen Brief an den DGB postulierte im Sommer eine Gruppe von Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern aus München: »Schweigen ist keine Option.«
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