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Aus: Ausgabe vom 31.10.2024, Seite 3 / Schwerpunkt
Kampf ums Klima

Genug der leeren Versprechen

Vor UN-Klimakonferenz in Baku: Papua-Neuguinea sieht sich von Verursachern der Krise im Stich gelassen. China meldet Erfolg beim Emissionsrückgang
Von Wolfgang Pomrehn
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Ein steigender Meeresspiegel wäre für Papua-Neuguineas Hauptstadt Port Moresby eine existentielle Bedrohung

Wenn am 11. November in Aserbaidschans Hauptstadt Baku die diesjährige UN-Klimakonferenz eröffnet wird, wird ein Land, das seit über 30 Jahren zu den Vorkämpfern für internationalen Klimaschutz gehört, fehlen: Papua-Neuguinea. Das gab der Außenminister des Landes, Justin Tkatchenko, vergangene Woche auf Samoa bei einem Commonwealth-Treffen bekannt, wie das in Fidschi produzierte Internetmagazin Islands Business berichtete. »Wir akzeptieren keine leeren Versprechungen und keine Untätigkeit mehr, während unser Volk unter den verheerenden Folgen des Klimawandels leiden muss«, so Tkatchenko. Der Anstieg des Meeresspiegels mache seinem Land genauso zu schaffen, wie Dürren und Überschwemmungen. Das Land hatte in diesem Jahr im März und Mai gleich zweimal extreme Niederschläge erlebt, die Erdrutsche auslösten. Im Mai wurden in einem entlegenen Tal rund 2.000 Menschen unter Schlammlawinen begraben.

»Obwohl wir wenig zur Klimakrise beitragen, werden Länder wie unseres mit den schweren Folgen allein gelassen«, klagte der Außenminister. Eine halbe Tonne CO2 wird in seinem Land pro Kopf und Jahr emittiert. Hierzulande sind es hingegen acht Tonnen und in den USA knapp 14. Die internationale Gemeinschaft, so Tkatchenko weiter, komme ihren finanziellen und moralischen Verpflichtungen nicht nach: »Die Versprechen, die die großen Verschmutzer gemacht haben, sind nichts als leeres Gerede. Sie errichten für uns unüberwindbare Hürden, so dass wir nicht an die dringend benötigten Gelder kommen, um unsere Leute zu schützen. Trotz wiederholter Versuche, eine Finanzierung für Anpassungsmaßnahmen zu bekommen, haben wir bisher keinen einzigen Toea gesehen.« Ein Toea ist die kleinste Währungseinheit Papua-Neuguineas und entspricht etwa einem Fünftel Cent.

In Baku wird es unter anderem um die Aufstockung dieser sogenannten Klimafinanzen gehen, die zu zahlen sich die Industriestaaten 2015 mit der Pariser Klimaübereinkunft verpflichtet haben. Seit 2020 sollen im Jahr 100 Milliarden US-Dollar fließen, allerdings sind die Mittel in den ersten Jahren nicht zusammengekommen und zuletzt auch nur mit Mitteln der kreativen Buchführung, indem allerlei Zahlungen umdeklariert wurden. Davon abgesehen sind angesichts der drastischen Klimakrise 100 Milliarden US-Dollar für die Anpassung der Landwirtschaft, der Fischerei, für Küstenschutz und so weiter längst nicht mehr genug. Die Forderungen der Entwicklungsländer bewegen sich inzwischen in der Größenordnung von Billionen US-Dollar. Doch die Industriestaaten wollen nicht über die Höhe der Zahlungen sprechen, solange nicht der Kreis der Zahlenden erweitert wird.

Eigentlich hätte ja der Gastgeber Aserbaidschan im Vorfeld den Verhandlungen auf die Sprünge helfen und mögliche Kompromisse ausloten sollen, wie es bei den Klimakonferenzen üblich ist. Allerdings ist das Interesse der Bakuer Regierung an einer Einigung eher begrenzt. Über 90 Prozent der Exporte des Landes bestehen aus Erdöl und Erdgas. Auch die EU wird übrigens mit Erdgas beliefert. Trotz des Krieges gegen Armenien und trotz der Vertreibung der armenischen Bevölkerung aus Bergkarabach. EU-Chefin Ursula von der Leyen fuhr im Juli 2023 wenige Wochen vor dem Krieg nach Baku, um einen Erdgasdeal abzuschließen. An den Vorbereitungen für den Angriff scheint sie sich nicht weiter gestört zu haben. Von irgendwelchen Wirtschaftssanktionen gegen Baku wurde jedenfalls nichts bekannt. Entsprechend plant der aserbaidschanische Öl- und Erdgaskonzern ­SOCAR, wie berichtet, seine Förderung ­auszuweiten.

Dennoch gibt es im Vorfeld der Klimakonferenz auch gute Nachrichten. In China hat es zum Beispiel den Anschein, als ob dort zumindest der weitere Anstieg der Treibhausgasemissionen gestoppt sein könnte. Obwohl in den vergangenen Jahren eine erhebliche Anzahl neuer Kohlekraftwerke ans Netz ging, wurde die Zunahme des Strombedarfs zuletzt allein durch den raschen Ausbau von Solar- und Windenergie abgedeckt. Das zeigt eine Analyse des finnischen Centre for Research on Energy and Clean Air. Wegen der schnellen Ausbreitung von Elektrofahrzeugen ist Chinas Ölverbrauch inzwischen rückläufig. Allerdings ist für den Rückgang der Emissionen auch das Ende des großen Baubooms verantwortlich. Da aber derzeit versucht wird, das Wirtschaftswachstum wieder anzukurbeln, bleibt zunächst unklar, ob tatsächlich schon eine Trendwende vorliegt.

Hintergrund: Beschleunigter Anstieg

Bei einem Treffen auf Samoa, einem Inselstaat im Südpazifik, haben die Regierungen aus der dortigen Region vergangene Woche klargestellt, dass sie an ihren Seegrenzen auf jeden Fall festhalten werden. Diese sind normalerweise durch die Entfernung vom Land definiert, welches aber inzwischen durch den steigenden Meeresspiegel zurückgedrängt wird. Im westlichen tropischen Pazifik, wo viele Inselstaaten liegen, ist er seit Beginn der 1990er um zehn bis 15 Zentimeter gestiegen, beinahe doppelt so schnell wie im globalen Durchschnitt. Ein kürzlich unter der Schirmherrschaft von UN-Generalsekretär António Guterres veröffentlichter Bericht spricht davon, dass die kleinen Inselstaaten als erstes und am härtesten betroffen sein werden.
Der Meeresspiegel steigt vor allem aufgrund der Erwärmung des Meerwassers, das sich dadurch ausdehnt, und durch das Abschmelzen großer Eismassen, die auf Grönland und in der Antarktis an Land liegen. Im 20. Jahrhundert sind die Pegel mit einer Geschwindigkeit von 20 Zentimetern pro Jahrhundert gestiegen. Seit etwa 1990 gibt es flächendeckende Satellitenmessungen der Meeresoberfläche, die von Jahrzehnt zu Jahrzehnt eine Beschleunigung des Anstiegs zeigen. Zwischen 2013 und 2023 lag das Tempo bereits bei 43 Zentimetern pro Jahrhundert, heißt es in einem kürzlich veröffentlichten Bericht des EU-Erdbeobachtungsprogramms Copernicus. Mit der weiteren Zunahme der Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre ist davon auszugehen, dass die Meere nicht nur weiter ansteigen, sondern das auch immer schneller tun werden. Aus der ferneren Vergangenheit unseres Planeten wissen wir, dass bei vergleichbaren Bedingungen, bei ähnlichen CO2-Konzentrationen, das Wasser um zehn bis 20 Meter höher stand. (wop)

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