Was wird aus VW in Sachsen
Von Susanne KnütterEs gibt »keinen Grund zur Entwarnung«, sagte der IG-Metall-Bezirksleiter für Berlin, Brandenburg und Sachsen nach der zweiten Tarifrunde bei Volkswagen am Mittwoch. Die Ergebnisse reichten »gerade aus, um weitere Verhandlungen sinnvoll zu machen und einen Abbruch der Gespräche zu verhindern«, erklärte Dirk Schulze. Der VW-Vorstand hatte in den Gesprächen erstmals die Bereitschaft erkennen lassen, Perspektiven für die deutschen Werke und eine mögliche Beschäftigungssicherung zu entwickeln. So zumindest das Resümee der IG Metall. Dennoch: Werksschließungen sind ebensowenig vom Tisch wie umfassende Stellenstreichungen und Lohnkürzungen. Die drei ostdeutschen Werke sind von den verschiedenen Abbauszenarien ebenso – wenn nicht sogar in besonderem Maße – bedroht.
Die gläserne VW-Manufaktur in Dresden ist eine von bundesweit drei Fabriken, bei denen bereits über die Schließung spekuliert wird. Sie war von Beginn an ein Prestigeprojekt des Vorstands. Ab 1999 wurde hier zunächst der Oberklassewagen »Phaeton« zusammengeschraubt. Weil er sich eher schlecht als recht verkaufte, wurde seine Produktion 2016 wieder gestoppt. Es folgte die Herstellung von Elektrogolfs und seit 2021 die des ID 3, der mindestens 33.000 Euro kostet. Die Manufaktur ist außerdem Veranstaltungsort und Entwicklungslabor für neue Fertigungstechnologien. Besucher können den Beschäftigten bei der Arbeit zuschauen. Etwa 340 Lohnabhängige wären von einer Schließung betroffen.
Auch das Werk in Zwickau mit etwa 9.500 Beschäftigten steht auf dem Spiel. VW hatte eine Milliarde Euro in den Umbau hin zur reinen Elektroautofabrik gesteckt. Seit 2019 wird der ID 3 hier serienmäßig produziert. Von Schließungsspekulationen ist Zwickau bisher nicht betroffen. Allerdings findet der Abbau bereits statt. Seit Sommer wird in Zwickau nur noch im Zweischichtbetrieb gearbeitet. Nachtschichten sind nicht mehr nötig. Erstmals überhaupt, seitdem VW in Zwickau produziert. Die Nachfrage ist zu gering. 360.000 Fahrzeuge könnten im Jahr in Zwickau gebaut werden, 2023 waren es nur 240.000. Im Juli kündigte die Geschäftsführung bereits an, etwa 1.000 der befristeten Stellen zu streichen.
Die Pläne gehen bisher davon aus, dass selbst bei einem Fortbestand des Werkes in Zwickau künftig nur noch auf einer statt zwei Fertigungslinien produziert werden würde, wie der MDR am Montag unter Berufung auf den Gesamtbetriebsratschef von Volkswagen in Sachsen, Uwe Kunstmann, berichtete. Davon betroffen wären laut dem Netzwerk Automobilzulieferer Sachsen (AMZ Sachsen) auch rund 50.000 Beschäftigte in Zulieferer- und Dienstleistungsbetrieben.
Das Motorenwerk Chemnitz ist im Vergleich noch gut ausgelastet. Allerdings werden hier bisher ausschließlich Motoren für Verbrenner hergestellt. Mit Blick auf das geplante Ende der Produktion von Neuwagen mit Verbrennungsmotor steht für den Betrieb mit seinen gut 1.900 Beschäftigten daher schon länger die Frage im Raum, welche Zukunft das Werk überhaupt hat. Die Aussicht bisher: Komponenten für das Thermomanagement von Elektrofahrzeugen.
Zukunft hätten die Werke in Ostdeutschland durchaus. Aus Sicht der IG Metall wäre der erste Schritt, günstigere Elektroautos unter einem Neupreis von 30.000 Euro herzustellen. Das allerdings gilt für andere Standorte auch. Um den Zuschlag für Aufträge dürfte hinter den Kulissen längst gestritten werden. Fest steht: Lassen VW, der Betriebsrat und die IG Metall die ostdeutschen Werke vor die Hunde gehen, dürften viele der geschürten Illusionen über eine Gleichwertigkeit von Ost und West erschüttert werden. Die Erinnerung an die »Transformation« nach dem Anschluss der DDR an die BRD 1990/91 ist wach. Damals wurde der VEB Sachsenring zerschlagen, Tausende Arbeiter wurden entlassen. Darauf baute VW auf und stampfte kurz danach in Zwickau ein neues Werk aus dem Boden.
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