Klinikreform vertagt
Von Gudrun GieseNordrhein-Westfalen wird den geplanten Umbau der Krankenhauslandschaft um drei Monate verschieben. Damit reagiert der Vorreiter dieser auch bundesweit geplanten Veränderungen auf Kritik aus den Krankenhäusern im Bundesland.
Wie Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) für alle Kliniken bundesweit plant sein Amtskollege in NRW, Karl-Josef Laumann (CDU), drastische Eingriffe bei den Krankenhäusern im bevölkerungsstärksten Bundesland. Dabei soll exakt festgehalten werden, welches Haus welche Operationen und andere medizinischen Interventionen anbieten darf. Erst im Juni dieses Jahres hatten die Kliniken die für sie existentiell wichtige Information erhalten. Danach sollen viele der 330 Häuser in NRW künftig nicht mehr die finanziell attraktiven Operationen zum Einsatz künstlicher Gelenke ausführen dürfen. Mehr als die Hälfte der Einrichtungen dürfte in Zukunft keine Krebspatienten mehr behandeln. Bis zum 1 Januar 2025 hätten die Kliniken den Umbau vollziehen müssen, wobei sie erst kurz vor Weihnachten die verbindlichen Bescheide erhalten sollten, wie am Mittwoch der WDR meldete.
327 von 330 Häusern legten Widerspruch gegen Laumanns Pläne ein. Mit der Verschiebung seines von ihm als »Quantensprung« bezeichneten Umbaus der Krankenhäuser versucht Minister Laumann offenbar, die Wogen etwas zu glätten. Sein Plan sei zu kurzfristig gewesen, gestand er gegenüber dem Sender ein. Die Versorgungssicherheit der Patienten solle nicht gefährdet werden. Deshalb erhielten die Kliniken Zeit bis zum 1. April 2025 für den Start der »Reform«. Für die Umsetzung der Ziele bekommen sie zwölf Monate, damit es während der Umstellung keine Versorgungslücken gibt. Zunächst hatte Laumann die umgehende Einstellung von Operationen und Interventionen in den Häusern vorgesehen, die diese Leistungen künftig nicht mehr anbieten sollen. Die Umbauaktion soll angeblich Verbesserungen für alle bringen. So heißt es, dass neunzig Prozent der Bürger in maximal zwanzig Minuten per Auto eine Klinik mit Notaufnahme, Chirurgie und Intensivstation erreichen könnten. Bei anderen Eingriffen – etwa der Krebsbehandlung oder einer Hüftoperation – sollen Patienten die Gewähr haben, dass das jeweilige Krankenhaus Erfahrung mit den Eingriffen ebenso hat wie genügend Fachpersonal.
Doch das Hauptproblem werde weder in NRW noch bundesweit angegangen, kritisiert das Bündnis für ein gemeinwohlorientiertes Gesundheitswesen. Schon lange seien viele Krankenhäuser unterfinanziert, weil die Bundesländer seit Jahren nicht ihren gesetzlichen Investitionspflichten nachgekommen seien. Dramatische Auswirkungen habe das maßgeblich von Karl Lauterbach in seiner Eigenschaft als Berater der damaligen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) vorangetriebene System der Fallpauschalen auf viele Krankenhäuser gehabt. Kosten seien dadurch nicht gesenkt, sondern nur verlagert worden. Die nun von Lauterbach als Minister betriebene Kehrtwende hin zu Vorhaltepauschalen bringe wenig, da die zuvor nötige gründliche Bedarfs- und Auswirkungsanalyse ausgeblieben sei. »Durch die mehr oder weniger willkürliche Zu- und Aberkennung von Leistungsgruppen entstehen Planungsschwierigkeiten mit unabsehbaren finanziellen Auswirkungen«, heißt es auf der Webseite des Bündnisses, dem unter anderem die Gewerkschaft Verdi angehört. Die Schieflage verstärke sich bei immer mehr Kliniken in NRW, »ob groß oder klein, ob unverzichtbar oder nicht«. Die Vorhaltepauschalen könnten die Situation nicht mehr verbessern, lediglich der ohnehin schon enorme bürokratische Aufwand in den Krankenhäusern werde weiter zunehmen. Nötig wären statt dessen Akuthilfen für die von Insolvenz bedrohten Kliniken. Außerdem fordert das Bündnis die vollständige Abschaffung des Fallpauschalensystems, ein Ende der Privatisierung von Krankenhäusern, gute Arbeitsbedingungen sowie verbindliche Personalschlüssel für alle Abteilungen und Bereiche einer Klinik, ein Verbot von Investitionen durch renditeorientierte Kapitalgesellschaften oder Privatinvestoren im Gesundheitswesen.
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