»Blaues Gold« für’n paar Cent
Von Oliver RastEr steht im »schwarz-orangefarbenen« Koalitionsvertrag: der sogenannte Wassercent. Doch bislang haben sich die Fraktionen von CSU und Freien Wählern (FW) nicht auf eine Gebühr für das kühle Nass verständigen können – obwohl wiederholt angekündigt. Nun soll der koalitionsinterne Abstimmungsprozess in der bayerischen Staatsregierung in die finale Phase getreten sein. Wirklich? Endlich? Fraglich! Denn äußern wollen sich die Koalitionäre auf Nachfrage nicht. Nur soviel: »Die Gespräche der Koalitionspartner sind weit fortgeschritten, wir sind auf einem guten Weg«, sagte FW-Pressesprecher Dirk Oberjasper am Donnerstag im Telefonat mit jW.
Woran hakt’s? Beispielsweise an der Höhe des »Wassercents«, an der Kostenstaffelung, am Ausnahmenkatalog. Es macht schon einen Unterschied, ob das »blaue Gold« aus Oberflächenwasser, oberflächennahem Grundwasser oder Tiefengrundwasser von Privathaushalten oder Fabriken abgepumpt wird. Viel Diskussions- bis Konfliktstoff also. Bereits seit Jahren; wohl eine bajuwarische Spezialität. Denn in 13 von 16 Bundesländern gibt es längst ein Wasserentnahmeentgelt, wenngleich unterschiedlich taxiert. Nur nicht in Hessen, Thüringen und eben im Freistaat.
Ein koalitionäres Zaudern und Zögern, was die Opposition auf den Plan ruft. Auch die sozialdemokratische Landtagsfraktion. Die ist am Mittwoch voriger Woche vorgeprescht – mittels eigenem Antrag unter der Überschrift »Wassercent – eine gerechte Lösung für die Menschen in Bayern«. Kernpunkt des Konzepts: Oberhalb einer Freimenge von 20 Kubikmetern pro Kopf bezahlen alle den gleichen Tarif. Wieviel genau, wird je nach Wassertiefe berechnet, hieß es am Donnerstag aus Kreisen der SPD-Fraktion gegenüber jW. Zwischen zwei Cent und einem Euro je Kubikmeter. Und Firmen, die besonders tief nach Wasser graben, müssen mehr berappen. Für kommunale Wasserversorger sollen indes geringere Gebühren gelten. Dazu sei es notwendig, dass jede Entnahme – ähnlich wie beim Strom – gemessen werde und kontrolliert werden könne. »Hierfür ist der Einsatz moderner digitaler Wasseruhren und digitaler Wasserbücher obligatorisch.«
Schön und gut, aber das parlamentarische Prozedere für solcherlei Anträge ist zweierlei: langwierig und erfolglos. Vom Umweltausschuss geht es in den Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen, dann wieder in den Umweltausschuss, um letztlich im Plenum des Landtags debattiert – und durch die Koalitionsmehrheit abgelehnt zu werden. Davon unabhängig, am 14. November steht die erste Ausschussrunde an.
Eingeschaltet in die Debatte hat sich jüngst ferner der Bund Naturschutz Bayern. Tenor: »Keine Kompromisse beim Wassercent!« Jeder, der Wasser nutze, müsse zahlen. Es gelte das Verursacherprinzip. Und Eile sei geboten, die Staatsregierung solle rasch per Verordnung, per Gesetzesnovelle liefern – »und zwar kompromisslos«. Vor allem: ausnahmslos. Beinahe jedenfalls. Also, keine Ausnahme für Industrie, Landwirtschaft, Wasserkraftwerke. Ausnahme von der Ausnahme ausnahmsweise: für Naturschutzprojekte und Löschwasser zur Brandbekämpfung.
Widerspruch kommt vom Bayerischen Bauernverband (BBV). Schließlich mache »die Landwirtschaft in Bayern nur etwa 1,7 Prozent der Gesamtwasserentnahme aus«, wurde BBV-Präsident Günther Felßner kürzlich in einer Mitteilung zitiert. Deshalb setzt sich der Interessenverband für eine Freigrenze von mindestens 5.000 Kubikmetern Wasser pro Betrieb ein »und für eine unbürokratische Umsetzung«. Jede zusätzliche finanzielle oder verwaltungstechnische Belastung würde die hiesige Land- und Forstwirtschaft noch »weiter im Wettbewerb zurückwerfen«. Zumal bereits »die Selbstversorgungsraten bei Obst und Gemüse viel zu niedrig sind«, kritisierte Felßner. Zudem dürfe es keine Pflicht für digitale Wasserzähler geben. »Als Bemessungsgrundlage müssen die Angaben des Wassernutzers ausreichen.«
Was nun? Abwarten. Nach jW-Informationen plant die »schwarz-orange« Staatsregierung noch eine parlamentarische Anhörung zum »Wassercent«. Vielleicht binnen des Jahres. Darin verstehen sich Christsoziale und Freie Wähler gut: ankündigen. Oder: Eine Koalition plätschert dahin.
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