Kein Weiter wie bisher
Von Carmela NegreteDie Überflutungen in Spanien zeigen: Der Klimawandel ist längst Realität, und seine Auswirkungen sind verheerend. Es wird deutlich, dass viele Menschen der Bedrohung durch extreme Wetterphänomene aufgrund der anhaltenden Erwärmung des Mittelmeers schutzlos ausgeliefert sind. Wissenschaftler des Weltklimarats IPCC warnen seit Jahren auch vor dem Verlust von Ökosystemen und Arten, steigendem Meeresspiegel und neu auftretenden Krankheiten. Dennoch drohen internationale Zusammenkünfte wie die bevorstehende Weltklimakonferenz in Aserbaidschan und die aktuelle Artenschutzkonferenz COP 16 erneut zur symbolischen Farce zu verkommen.
Nach Überschwemmungen, Waldbränden und anderen Naturkatastrophen wird weltweit oft alles daran gesetzt, die sogenannte Normalität schnellstmöglich wiederherzustellen. Dabei übersieht man gerade im globalen Norden, dass die kapitalistische Konsumgesellschaft selbst ein zentraler Teil des Problems und keineswegs Teil der Lösung ist. Der Klimawandel sorgt dafür, dass Flutkatastrophen wie die gegenwärtigen in Spanien, Italien oder Frankreich häufiger, intensiver und unberechenbarer werden.
Kolumbiens Präsident Gustavo Petro hat am Montag auf der COP 16 in Cali das Entscheidende gesagt: Der Kapitalismus zerstört das Klima, und ein zerstörtes Klima gefährdet letztlich nicht nur den Kapitalismus, sondern die gesamte Menschheit. Petro rief zur Weltrevolution auf: Die Zeit sei für die Völker der Welt und insbesondere im globalen Süden gekommen, sich für einen radikalen Systemumbau und eine Abkehr vom Profitmaximierung um jeden Preis einzusetzen, bevor der fortschreitende Verlust der Biodiversität das Überleben der Menschheit bedroht. Es gehe darum, neue (und vielleicht auch alte) Produktionsweisen einzuführen, die nicht nur die Umwelt, sondern auch die menschliche Zivilisation bewahren helfen. Petro trifft einen Nerv, wenn er im gleichen Atemzug die Schuldenlast des globalen Südens anspricht, die erlassen werden müsse. Die Ausbeutung der südlichen Hemisphäre muss beendet werden – aus Solidarität, aber auch aus wohlverstandenem Eigeninteresse des globalen Nordens.
»Es ist schlimmer als die Apokalypse«, so Petro in Cali. Er kritisiert zu Recht die westliche Doppelmoral: Während Milliarden für Rüstung und militärische Einsätze wie in Gaza oder den Krieg in der Ukraine aufgewandt werden, der jederzeit nuklear eskalieren könnte, bleiben die zugesagten Mittel für den globalen Süden und gegen den Klimawandel unzureichend. Diese Heuchelei ist geradezu grotesk, denn ganze Gesellschaften sind von der Auslöschung bedroht. Trotz der Dringlichkeit, dies zu verhindern, werden »wir« nicht nur von »Sozialdemokraten« verraten, sondern auch von Teilen der Linken. Der spanische Philosoph und Aktivist Raúl Sánchez Cedillo spricht von einem globalen Kriegsregime, und es betrifft alle und jeden.
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Leserbrief von Hagen Radtke aus Rostock (2. November 2024 um 17:19 Uhr)Es ist nicht direkt der Kapitalismus, der das Klima zerstört, sondern ganz konkret das Verfeuern fossiler Brennstoffe. Die DDR war nicht kapitalistisch und hat trotzdem massiv Braunkohle verfeuert. Der Kapitalismus behindert den Kampf gegen den Klimawandel insofern, als fossile Industriemultis ihr Kapital ungehindert einsetzen können, um den öffentlichen Diskurs zu verschieben. So wird nicht mehr der Klimawandel, sondern der Kampf dagegen (Windräder, Wärmepumpen etc.) als Bedrohung wahrgenommen. Das verhindert, dass eine demokratische Mehrheit für den nötigen Industrieumbau zustande kommt, der andere Kapitalfraktionen als Gewinner hätte. Eine nichtkapitalistische Zeitung täte gut daran, das konkret zu benennen und die Leser davor zu bewahren, sich für dumm verkaufen und vor den Karren der Kohle- und Ölkonzerne spannen zu lassen. Am Ende kommt es dem Klima auf die Reduzierung des CO2-Ausstoßes an, nicht auf das Wirtschaftssystem.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (2. November 2024 um 09:22 Uhr)Gustavo Petro hat völlig recht: Wenn die Welt weiter untätig bleibt, kann Milliarden Menschen nichts mehr vor dem Untergang retten. Im wohlhabenden Norden spürt man die Schlinge um den Hals nur ab und zu: in diesem Herbst in Italien, in Tschechien, in Südpolen, in Frankreich und nun gerade in Südspanien. Zu schnell lässt man sich damit trösten, dass sich die Schlinge offenbar noch nicht ganz zugezogen hat. Vergessend, dass wir nichts mehr verändern können werden, sobald sie uns gänzlich die Luft abschnürt.
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