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Aus: Ausgabe vom 04.11.2024, Seite 1 / Titel
Regierungskrise

Ampel flackert gelb

FDP-Chef fordert die nächste »Wirtschaftswende« – diesmal auf 18 Seiten. Aufregung in Koalition, Lob von CDU und CSU
Von Arnold Schölzel
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Außer Betrieb? Modelldarstellung der Bundesregierung (Döbeln, 17.5.2023)

Die deutsche Wirtschaftsleistung schrumpft, der Arbeitsplatzabbau in der Industrie gewinnt an Fahrt. Und siegt Donald Trump am Dienstag bei den US-Präsidentschaftswahlen, muss voraussichtlich mehr Geld aus der Staatskasse Richtung Ukraine geschaufelt werden.

Die Mehrfachkrise hat aus der Berliner »Fortschrittskoalition« bereits eine grotesk-unpopuläre Chaosveranstaltung werden lassen. Mit dem irgendwann fälligen Koalitionszerfall spielt nun erneut die FDP. Am Donnerstag oder Freitag – FAZ und Bild am Sonntag waren sich im Datum nicht einig – versandte Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner ein 18-Seiten-Papier an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sowie an Wirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen). Es enthält ein Sammelsurium von Forderungen, die von der FDP zum Teil schon vor drei Jahren in den Koalitionsverhandlungen erhoben wurden, zum Beispiel das Abschmelzen des »Solidaritätszuschlags«.

Allerdings: Über dessen Erhebung nur bei Großverdienern entscheidet in wenigen Tagen ohnehin das Bundesverfassungsgericht. Lindner wird wissen, wohin die Richter neigen. In dem Grundsatzpapier fordert er zum wiederholten Mal eine »Wirtschaftswende« mit einer »teilweise grundlegenden Revision politischer Leitentscheidungen«. Konkret ist von einem sofortigen Moratorium zum Stopp aller neuen Regulierungen die Rede. Nationale Klimaziele müssten durch europäische ersetzt werden. Das richtet sich gegen das Verlangen der Grünen, hierzulande schneller als die EU »Klimaneutralität« zu erreichen.

Offensichtlich geht es aber nicht ums Altbekannte: Kaum verbrochen, schon durchgestochen. Seit Freitag abend macht der Lindner-Erguss das sogenannte politische Berlin »supernervös« (SPD-Kochef Lars Klingbeil in der Augsburger Allgemeinen). Das war offensichtlich Zweck der Übung: Die Ampel flackern zu lassen und den neoliberalen FDP-Wahn im Mediengeschnatter zu halten. Dort war dann auch prompt von »Zerreißprobe« und »Scheidungsbrief« wie 1982 die Rede. Damals sprengte FDP-Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff durch ein ähnliches Schreiben die von Kanzler Helmut Schmidt (SPD) geführte Regierung. Alle FDP-Minister traten damals wenige Tage nach Veröffentlichung des Papiers zurück. Diesmal allerdings hat Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) gerade erst ein Treuebekenntnis zur Ampel abgelegt. Dennoch konstatierte Klingbeils Vorsitzpartnerin Saskia Esken am Samstag auf einer SPD-Veranstaltung in Hamburg: In der Koalition »brennt gerade die Hütte«.

Ein leicht vergiftetes Lob erhielt Lindner von CDU-Chef Friedrich Merz, der am Sonntag süffisant kommentierte, der FDP-Text enthalte Vorschläge, die zum Teil wörtlich aus Anträgen übernommen seien, die die Unionsfraktion in den vergangenen zwei Jahren in den Bundestag eingebracht hätte. Der CSU-Vorsitzende Markus Söder verfiel in hochgestimmte Metapheritis und hörte das »Totenglöckchen« der Koalition läuten – es seit Zeit, »den Stecker zu ziehen«. Vielleicht dem Glöckchen.

Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel behauptete jedenfalls ebenfalls in Bild am Sonntag, der Kanzler könne »gelassen bleiben«. Er solle einfach Lindners Text »in die Beratung der Bundesregierung« geben. Habe Lindner »Mut«, solle er das zulassen. Für Mittwoch ist seit längerem eine Sitzung des Koalitionsausschusses anberaumt. Dort wird hierzulande politisch entschieden.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinz K. aus München (4. November 2024 um 09:25 Uhr)
    »Und siegt Donald Trump am Dienstag bei den US-Präsidentschaftswahlen, muss voraussichtlich mehr Geld aus der Staatskasse Richtung Ukraine geschaufelt werden.« Diese Aussage enthält m. E. zwei Trugschlüsse: 1. Es ist völlig egal, wer US-Präsident wird – es bleibt dabei, dass die EU und damit Deutschland weiterhin von den USA ausgesaugt werden. Unterschiedlich wird vielleicht der Ton sein – g’schert bei Trump, freundlich, aber unnachgiebig bei Harris. 2. Wieso müssen wir überhaupt Geld in die Ukraine schaufeln? Um Herrn Expräsidenten S. noch ein paar Villen in Europa oder Amerika zu finanzieren? Jeder, der es sehen will, sieht, dass der Krieg für die Ukraine verloren ist – ganz gleich, ob sich die USA zurückziehen (was sie sichtlich gerne möchten, aber natürlich ohne als Verlierer dazustehen) oder nicht – außer sie riskieren einen Atomkrieg, was leider nicht auszuschließen ist.

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