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Aus: Ausgabe vom 04.11.2024, Seite 16 / Sport
Boxen

Trocken Brot und Bananen

Zum Tod der brasilianischen Boxlegende Maguila
Von André Dahlmeyer
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José Adílson Rodrigues dos Santos, besser bekannt als Maguila (12.6.1958–24.10.2024)

Schlechte Nachrichten für die Brasucas: Brasiliens einzige Boxlegende José Adilson Rodrigues dos Santos, besser bekannt unter seinem Künstlernamen Maguila, ist am 24. Oktober in einem Hospital von Itu (Bundesstaat São Paulo) im Alter von 66 Jahren gestorben. Bei dem Schwergewichtsboxer war bereits 2013 pugilistische Demenz (irreversible neurodegenerative Erkrankung, die durch Schläge auf den Kopf verursacht wird, sogenanntes Punch-Drunk-Syndrom) diagnostiziert worden. Schließlich wurde ein Knötchen auf der Lunge entdeckt, er hatte starke Unterleibsschmerzen, zwei Liter Wasser wurden aus seiner Lunge entfernt. Die Familie hielt sich lange Zeit bedeckt.

Maguila wurde am 12. Juni 1958 in Aracaju, Sergipe, im schwarzen Brasilien an der Atlantikküste geboren; die Suburbs dazugenommen, ist Aracaju eine Millionenstadt. Am Tag davor hatte die brasilianische Seleção bei der WM in Schweden ihr zweites Gruppenspiel absolviert (mit Didi und Vavá, aber noch ohne Garrincha und Pelé – 0:0 gegen das England von Bobby Robson).

18 Jahre war Maguila als Profiboxer unterwegs, in 85 Kämpfen errang er 77 Siege (61 durch K. o.), verlor siebenmal, einmal gab es ein technisches Remis. Er galt als volksnah, als ebenso witzig wie hinterlistig, was die Massen begeisterte. Sein großes Vorbild war Éder Zumbano Jofre, ein Normalausleger, Konterboxer mit starker Schlaghand, der 1962 den Weltmeistertitel im Bantamgewicht gegen den bis dahin unbesiegten Belfaster Johnny Caldwell (Olympia-Bronze 1956 in Melbourne) durch K. o. in der zehnten Runde errungen hatte. Jofre wird vom Ring Magazine als zweitbester Bantamgewichtler aller Zeiten geführt (nach Carlos Zárate aus Tepito aus Mexiko-Stadt).

Klar, wer, wie Maguila, aus dem Problemviertel Aracaju kommt, wird Weltklasse oder endet mit Beton an den Füßen irgendwo tief unten. Maguila begann als 14jähriger mit dem Boxen. Kurz darauf errang Jofre, der 1969 ein Comeback gewagt hatte, mit 37 Jahren noch einmal den WBC-WM-Titel im Federgewicht (Punktsieg). 1976 trat er zurück, wurde Jahre später Stadtrat in São Paulo, eine Karriere vieler brasilianischer Sportler.

Als Maguila richtig zu boxen begann, arbeitete er in São Paulo als Bauhelfer. »Ich fraß nur trocken Brot und Bananen.« Der Jungspund schlief in einem verlassenen Schutttransporter in Butantã. Als der Besitzer das mitbekam, war der Laster weg, Maguila schlief nun auf dem Schutt. Ab 1979 trainierte er professionell – wie bei Armen üblich, schlug er gegen aufgehängte Autoreifen. Zwei Jahre darauf bestritt er bei der Forja de Campeões – seit 1941 größtes Boxevent Brasiliens – seinen ersten Kampf. 1983 wurde er brasilianischer Meister, hielt den Titel bis 1995. 1984 wurde er zum ersten Mal Südamerikameister und blieb es eine Dekade lang. 1986 gewann er den Gürtel der Amerikas der WBC, 1996 den Lateinamerika-Gürtel der WBA und der IBF, 1995 den WM-Gürtel der WBF (der ein bisschen scheel angesehen war). Zwischenzeitlich galt er als Riesentalent, wurde von Angelo Dundee gecoacht, der sich um Sugar Ray Leonhard und Muhammad Ali gekümmert hatte.

1989 traf Maguila, damals Nummer eins, in Nevada, USA, auf Evander Holyfield, ging in der zweiten Runde k. o. zu Boden. Holyfield erzwang so den legendären Fight gegen Mike Tyson. 1990 boxte Maguila 32jährig im Caesar’s Palace von Las Vegas gegen George Foreman (41). In der zweiten Runde schlug ihn der Texaner k. o. Maguila: »Ich traf ihn, und er bewegte sich nicht einmal. Das war das Problem. (…) Wenn ich aufgestanden wäre, hätte er mich umgebracht.« 2000 beendete Maguila seine Karriere.

Von der Dementia pugilistica (CTE) sind nicht bloß Boxer betroffen. So erwischte es etwa auch den Kapitän und Abwehrchef der brasilianischen Fußballweltmeistermannschaft von 1958, Hilderaldo »Eisenfuß« Bellini, und nicht zuletzt Maguilas Vorbild Jofre. Maguila war seit 2017 im Krankenhaus, galt als unheilbar krank. 2018 bestimmte er, vage bei Bewusstsein, sein Gehirn zu Forschungszwecken der Universität von São Paulo zu überlassen.

2006 wurde Maguilas jüngster Bruder bei einem Raubüberfall umgebracht, 2009 veröffentlichte der Exboxer das Album »Vida de Campeão« (Leben des Champs) mit dem gleichnamigen Song, den er selbst geschrieben hatte, und Aufnahmen bekannter Sambas. Ein eher halbherziges Engagement als Kandidat für die konservative Arbeiterpartei (PT) scheiterte 2010 grandios (0,01 Prozent der gültigen Stimmen).

Seinen »Künstlernamen« Maguila verdankt der Boxer der Zeichentrickfigur Maguila Gorilla aus der in den frühen 60ern berühmten US-amerikanischen »Maguila Gorilla Show«.

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