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Aus: Ausgabe vom 05.11.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Arbeitsmarkt Österreich

Zehn Prozent mehr Erwerbslose

Nach zwei Jahren Rezession in Österreich: Arbeitsmarkt von Krise erfasst
Von Dieter Reinisch, Wien
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Bei den Gewerkschaften spielen Arbeitslose oder Geringverdiener bis heute eine Nebenrolle (Wien, 1.5.2023)

Die Erwerbslosigkeit steigt, mancherorts sogar rasant. In Österreich sind die Erwerbslosenzahlen im Oktober um fast zehn Prozent gegenüber dem Vormonat gestiegen und liegen jetzt bei nahezu sieben Prozent. Das ist zwar knapp unter dem Zehnjahreswert von 7,5 Prozent, doch inkludiert dieser die Pandemiejahre, in denen es ohnehin eine überdurchschnittlich hohe Erwerbslosigkeit gab. Und Besserung ist nicht in Sicht: Kurzfristig wird die Zahl über den Winter erfahrungsgemäß weiter steigen, da es in den kalten Monaten weniger Beschäftigung in der Baubranche gibt. Doch auch mittel- bis langfristig ist keine Entspannung zu erwarten, denn die vor kurzem veröffentlichten Wirtschaftsdaten sind schlecht: Österreich befindet sich in der längsten Rezession seit 1945.

Ende Oktober waren 371.648 Personen beim Arbeitsmarktservice (AMS) als erwerbslos (293.301) oder in Schulung (78.347) gemeldet, wie aus den am Montag veröffentlichten Daten hervorgeht. Im Vergleich zum Vorjahresmonat ist die Zahl der Erwerbslosen und Schulungsteilnehmer um 9,7 Prozentpunkte bzw. 32.752 Personen gestiegen. Der konservative Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) bezeichnet die Lage am Arbeitsmarkt laut APA dennoch als »zwiegespalten« – andere sind weniger optimistisch. Kocher meinte auf einer Pressekonferenz in Wien, einerseits steige die Arbeitslosigkeit, andererseits gebe es einen Beschäftigungsrekord und viele offene Stellen. Es gebe aber »erste Anzeichen«, nun »vorsichtig optimistisch« für die Wirtschaftsentwicklung zu sein. Eine Erholung sei Voraussetzung für »eine Stabilisierung« am Arbeitsmarkt. Doch genau die Anfang Oktober veröffentlichten Zahlen der Wirtschaftsinstitute mussten stark nach unten korrigiert werden. Es wird sogar erwartet, dass die Rezession 2025 in das dritte Jahr in Folge gehen könnte.

»Die derzeitige Rezession erstreckt sich über zwei Kalenderjahre und hält damit schon ungewöhnlich lange an«, so Stefan Schiman-Vukan, einer der Autoren der Prognose der größten österreichischen Wirtschaftsinstitute bei der Veröffentlichung der Daten Anfang Oktober in Wien. 2023 sank das reale BIP um einen Prozentpunkt, dieses Jahr wird es um 0,6 Prozentpunkte zurückgehen. Die Gründe: »Ähnlich wie Deutschland leidet auch Österreich unter der Investitionsflaute und der schwachen Nachfrage nach Investitionsgütern und Maschinen.« Österreich würde die Auswirkungen der schwächelnden Wirtschaft im Nachbarland spüren, da dadurch die Warenexporte deutlich zurückgehen.

Ähnliches war am Montag vormittag bei der Bekanntgabe der Erwerbslosendaten zu lesen: »Sorgenkind bleibt dabei vor allem die Industrie«, so AMS-Vorstand Johannes Kopf in einer Stellungnahme. Die Arbeitslosigkeit stieg hier demnach besonders stark um 16,3 Prozent, im Handel um 12,4 Prozent und im Verkehr um 11,7 Prozent. Die Zahl der offenen Lehrstellen, die sofort verfügbar sind, ging um 14,9 Prozent zurück, die Zahl der Lehrstellensuchenden stieg um 15,7 Prozent.

Insgesamt stieg die Arbeitslosenquote Ende Oktober im Vergleich zum Vorjahresmonat um 0,6 Prozentpunkte auf 6,9 Prozent. Im Durchschnitt der letzten zehn Jahre lag die Arbeitslosenquote im Oktober laut Arbeitsministerium bei 7,5 Prozent. Die Arbeiterkammer (AK) betonte, der Staat sei gefordert, mit aktiver Arbeitsmarktpolitik gegenzusteuern: Leider rücke der öffentliche Diskurs die individuelle Verantwortung der Arbeitsuchenden in den Mittelpunkt und die Forderung nach immer weiteren Verschärfungen und Sanktionen, kritisierte die AK in einer ersten Reaktion auf die Zahlen. AK-Präsidentin Renate Anderl: »Es wird hoher Druck auf Arbeitslose ausgeübt, vom Arbeitslosenversicherungssystem und der Politik. Arbeitslosigkeit wird als individuelles Problem betrachtet, an dem man selbst schuld ist. Das ist nicht nur vor dem Hintergrund der steigenden Insolvenzen völlig falsch.«

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