Mit Tricks zu mehr Abschiebungen
Von Kristian StemmlerIn der Migrationspolitik ist die Einstufung von Ländern als »sichere Herkunftsstaaten« vor allem ein Instrument, um mehr Asylsuchende abschieben zu können. Auf der entsprechenden Liste der Bundesregierung stehen bisher zehn Staaten außerhalb der EU, darunter die sechs sogenannten Westbalkanstaaten. Dass es nicht mehr sind, etwa auch Tunesien, Algerien oder Marokko, ist auf Bedenken im Bundesrat zurückzuführen. Doch das Bundesinnenministerium hat jetzt offenbar einen Kniff gefunden, diese Blockade zu umgehen, wie die Welt am Montag berichtete.
Demnach schlägt das Ministerium ein Verfahren vor, das sowohl die Länderkammer als auch den Bundestag bei dem Thema außen vor lässt. Es solle ein neuer Paragraph 29 b ins Asylgesetz aufgenommen werden, der vorsieht, dass die Bundesregierung durch Rechtsverordnung »ohne Zustimmung des Bundesrates« sichere Herkunftsstaaten bestimmt, schreibt das Blatt. Das verstößt eigentlich gegen das Grundgesetz. Dort heißt es, es könnten Staaten, in denen »keine Verfolgung stattfindet«, bestimmt werden, aber nur »durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf«.
Auch an dieses Hindernis hat man im Ministerium gedacht. Es verweist darauf, dass die meisten Migranten nicht Asyl nach Grundgesetz begehren, sondern sich etwa auf die Genfer Flüchtlingskonvention berufen. Dafür solle es eine zweite Liste sicherer Herkunftsstaaten geben, so die Welt, für die eine Zustimmung des Bundesrats nicht erforderlich wäre.
Der Entwurf des Innenministeriums befindet sich noch in einem frühen Stadium. Die Regierung hat sich dazu noch nicht verständigt, der Bundestag war noch nicht beteiligt. Die Unionsfraktion begrüßt den Vorschlag des Innenministeriums, auch die SPD-Fraktion zeigt sich offen für den Vorstoß, so die Welt. Skeptischer äußern sich Grünen-Politiker. »Bei der Einstufung sicherer Herkunftsländer geht es auch um Minderheitenschutz«, erklärte demnach der Grünen-Europapolitiker Erik Marquardt.
BSW-Chefin Sahra Wagenknecht hat unterdessen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) »Wortbruch beim Thema Abschiebungen« vorgeworfen. Scholz habe »vor einem Jahr vollmundig versprochen, dass endlich wieder Recht und Gesetz gelten und Ausreisepflichtige konsequent abgeschoben werden«, sagte Wagenknecht der Neuen Osnabrücker Zeitung. Herausgekommen sei eine »Luftnummer«, erklärte sie mit Blick auf aktuelle Zahlen zum Thema, die aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der BSW-Chefin hervorgehen.
Demnach sind von Januar bis September 2024 von 38.328 geplanten Abschiebungen 23.610 nicht vollzogen werden – also 61,6 Prozent. Damit lag der Wert geringfügig unter denen der beiden Vorjahre. Im Jahr 2023 scheiterten 65,6 Prozent der Abschiebungen, 2022 betrug die Quote 64,3 Prozent, 2021 waren es 60,6 Prozent. Abschiebungen scheitern regelmäßig, weil geplante Rückführungsflüge ausfallen, ausreisepflichtige Personen nicht auffindbar sind, der Zielstaat die Aufnahme verweigert oder die Betroffenen medizinische Probleme haben.
Die Gefahren, die diese Menschen auf dem Weg nach Europa überwunden haben, rief am Dienstag ein Urteil des Landgerichts Traunstein in Erinnerung. Es verurteilte im Prozess um eine Schleuserfahrt, bei der in Bayern sieben Menschen starben, den syrischen Angeklagten zu 15 Jahren Haft. Die Staatsanwaltschaft hatte lebenslange Haft wegen siebenfachen Mordes und 15fachen versuchten Mordes gefordert. Der Syrer, der zuletzt in Österreich lebte, hatte zugegeben, im Oktober 2023 mit 22 Migranten aus der Türkei und aus Syrien auf dem Weg von Österreich nach Bayern gewesen zu sein. Bei der Flucht war der Wagen auf die Leitplanken geprallt.
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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
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