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Aus: Ausgabe vom 07.11.2024, Seite 2 / Inland
Resolution des Bundestags

»Es geht nur darum, was über Israel gesagt wird«

Bundestag soll Resolution zum »Schutz jüdischen Lebens« beschließen. Jüdische Organisation mit Kritik. Ein Gespräch mit Wieland Hoban
Interview: Marc Bebenroth
28.10.2023 - Jüdische Stimme bei Global South United demo.
Die Bundesregierung will auch israelkritischen Juden und Holocaustopfern den Mund verbieten (Berlin, 28.10.2023)

An diesem Donnerstag soll der Bundestag eine Resolution beschließen, deren Urheber vorgeben, »jüdisches Leben« in der BRD »schützen, bewahren und stärken« zu wollen. Wie viel geschützter fühlen Sie sich bei dem Gedanken an die in dem Papier geforderten Maßnahmen?

Überhaupt nicht. Diese Resolution hat viel mehr mit der Verteidigung Israels zu tun als mit jüdischem Leben per se oder einem wirklichen Verständnis von Antisemitismus.

Was soll da verteidigt werden?

Es wird im Grunde unterstellt, dass der Staat Israel als Repräsentant jüdischer Menschen gilt; Vorwürfe an diesen Staat also Abneigung oder Feindschaft gegenüber Jüdinnen und Juden ausdrücken. Pro forma wird eingeräumt, dass man Israel kritisieren darf. Aber schon seit Jahren ist klar, dass dieser Kritik enge Grenzen gesetzt werden. Wörter wie »Apartheid« oder »Genozid« werden in der Regel von Verfechtern solcher Mittel als antisemitisch eingestuft.

Die Resolution stützt sich auf die sogenannte Arbeitsdefinition zum Antisemitismusbegriff der »International Holocaust Remembrance Alliance«, ­IHRA. Was ist daran problematisch?

Das Dokument besteht aus zwei Teilen: der ziemlich schwammigen Definition und einer Liste von elf Beispielen, von denen sieben sich auf den Staat Israel beziehen. Die Anwendung bezieht sich oft viel stärker auf diese Beispiele. Die Unschärfe zeigt sich schon in der Aussage, dass Antisemitismus sich gegen jüdische oder nichtjüdische Personen richten kann. Man sieht jetzt schon, wie das missbraucht wird: Auseinandersetzungen werden als antisemitischer Angriff bezeichnet, obwohl überhaupt keine Juden betroffen waren, sondern die israelische Politik den Hintergrund bildete.

»Judenhass und israelbezogener Antisemitismus« seien seit dem 7. Oktober 2023 »auf einem seit Jahrzehnten nicht dagewesenen Niveau«, heißt es in dem Entwurf.

Diese Statistiken sind grundsätzlich problematisch, weil bei der Erfassung von »antisemitischen Vorfällen« bereits Aufkleber mit »Boycott Israel« gezählt werden. Die Schwelle für diesen sogenannten israelbezogenen Antisemitismus ist so niedrig, dass sehr viel von dem, was bei einer Pro-Palästina-Demonstration gesagt, skandiert und auf Schildern gezeigt wird, auch diesen Tatbestand erfüllt.

Auch Kundgebungen jüdischer Organisationen könnten darunter fallen?

Genau. Es geht nur darum, was über Israel gesagt wird, und überhaupt nicht darum, ob Aussagen wahr oder falsch sind – zum Beispiel, wenn das Wort »Apartheid« als antisemitisch bezeichnet wird. Denn ein Apartheidstaat wäre nicht legitim, ergo ist es eine Delegitimierung Israels. Das ist die Logik dieser Leute und dieser Resolution. Gleiches gilt für das Wort »Genozid«. Das sei als Bezeichnung für die Kriegführung in Gaza ein Bezug zum Holocaust – in diesem deutschlandfixierten Denken ist der Holocaust wohl der einzige Genozid der Weltgeschichte –, ergo eine Äquivalenz zwischen Israel und den Nazis, also antisemitisch laut dieser IHRA-Definition.

Die Resolution ist das Resultat monatelanger Verhandlungen von Vertretern der Regierungsparteien mit der Union hinter verschlossenen Türen. Der vollständige Text wurde nicht offiziell veröffentlicht. Was schließen Sie aus dieser Geheimniskrämerei?

Den Parteien ist klar, dass diese Resolution sehr kritikwürdig ist: ganz allgemein, juristisch, künstlerisch, wissenschaftlich. Deswegen sollten ihnen möglichst wenige reinreden.

In einem Kommentar berichtete der Deutschlandfunk am Montag, dass »Abgeordnete, Minister und Parteispitzen« hinter vorgehaltener Hand den durch proisraelische Lobbyisten sowie den Zentralrat der Juden ausgeübten politischen Druck beklagten. Was ist deren Interesse an dieser Resolution?

Ähnliches war 2019 zu den Verhandlungen über die BDS-Resolution zu hören. Es gibt innerhalb dieser Parteien auch Politiker, die nicht mitgehen, aber sie sehen sich nicht in der Lage, etwas dagegen zu tun. Es ist bedauernswert, dass der Zentralrat der Juden durch seine sehr starke Parteinahme für Israel auch diese Art von Druck ausübt. Doch dies ist nur ein Aspekt. Ein gewichtigerer ist der proisraelische Konsens im politischen Establishment.

Wieland Hoban ist Vorstandsvorsitzender der »Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost«

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  • Leserbrief von Ulrich Sander aus Dortmund (7. November 2024 um 12:21 Uhr)
    Es gibt Leute, die sich gegen Israels Existenz wenden und alles „auf Anfang“ stellen wollen. Israel zu beseitigen, ist ein antisemitisches Projekt! Andere fordern, die Solidarität mit den Palästinensern aufzugeben, weil der Zentralrat der Juden es fordert. Was waren das noch für Zeiten, da ein Ignaz Bubis Wert auf die Feststellung legte, dass er ein deutscher Jude und kein Vertreter des israelischen Außenministeriums ist. Es fragte ein Journalist: Wie können Journalisten und Politiker dem Vorwurf des Antisemitismus entgehen, wenn sie sich der israelischen Politik kritisch gegenüberstellen? Der israelische Friedensaktivist Uri Avnery (1923–2018) antwortete: Sie müssen in ihrer Kritik deutlich machen, dass sie nicht gegen die Existenz Israels sind, sondern lediglich das Interesse von Palästinensern und Israelis gleichermaßen berücksichtigen wollen. Das muss vollkommen klar sein (lt. Neues Deutschland, 27. März 2006).
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (7. November 2024 um 15:07 Uhr)
      Was wäre denn auch gegen einen Staat Israel einzuwenden, der alle Menschen auf seinem Staatsgebiet gleichanständig behandelt und mit seinen Nachbarn in Frieden und freundschaftlicher Zusammenarbeit verbunden ist? Ein solcher Staat müsste um sein Existenzrecht nie und nimmer bangen. Sein Grundprinzip wäre das alte »Was du nicht willst, was man dir tu, das füg auch keinem andern zu«. Das müsste doch eigentlich zu machen sein. Oder?

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