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Aus: Ausgabe vom 07.11.2024, Seite 14 / Leserbriefe

Aus Leserbriefen an die Redaktion

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Fluch oder Segen

Zu jW vom 4.11.: »Digitalisierung heißt Kontrolle«

Die hier behandelte Frage ist gar nicht so neu, wie man denken könnte. Genau wie vor zwei Jahrhunderten die Mechanisierung oder vor 60 Jahren die Automatisierung wirft auch die KI die grundlegende Frage auf, von wem sie zu wessen Nutzen eingesetzt werden soll. Sie kann der Gesellschaft neue Horizonte öffnen, wenn sie eingesetzt wird, um allen zu dienen. Sie kann verheerende Wirkung haben, wenn sie lediglich aus der eingeschränkten Sicht einzelner oder weniger Individuen zur Anwendung kommt. Das ist nicht die Schuld der Technik, sondern es sind die gesellschaftlichen Verhältnisse, die darüber bestimmen, ob aus ihr Segen oder Fluch resultiert. Genau darüber ist also wahrscheinlich am intensivsten nachzudenken.

Joachim Seider, Berlin

Wirtschaftssystem entscheidend

Zu jW vom 2./3.11.: »Kein Weiter wie bisher«

Es ist nicht direkt der Kapitalismus, der das Klima zerstört, sondern ganz konkret das Verfeuern fossiler Brennstoffe. Die DDR war nicht kapitalistisch und hat trotzdem massiv Braunkohle verfeuert. Der Kapitalismus behindert den Kampf gegen den Klimawandel insofern, als »fossile« Industriemultis ihr Kapital ungehindert einsetzen können, um den öffentlichen Diskurs zu verschieben. So wird nicht mehr der Klimawandel, sondern der Kampf dagegen (Windräder, Wärmepumpen etc.) als Bedrohung wahrgenommen. Das verhindert, dass eine demokratische Mehrheit für den nötigen Indus‑trieumbau zustande kommt, der andere Kapitalfraktionen als Gewinner hätte. Eine nichtkapitalistische Zeitung täte gut daran, das konkret zu benennen und die Leser davor zu bewahren, sich für dumm verkaufen und vor den Karren der Kohle- und Ölkonzerne spannen zu lassen. Am Ende kommt es dem Klima auf die Reduzierung des CO2-Ausstoßes an, nicht auf das Wirtschaftssystem.

Hagen Radtke, Rostock

Li, der Deutsche

Zu jW vom 26./27.10.: »Anno … 44. Woche«

An dem »Langen Marsch« nahm der Kommunist Otto Braun als Militärberater der Komintern bei der Volksbefreiungsarmee als Li De (»Li, der Deutsche«) als einziger Ausländer teil. Nach der Teilnahme 1919 an den Kämpfen um die Bayrische Räterepublik und später an weiteren Brennpunkten bewaffneter revolutionärer Kämpfe wurde er 1928 in der Haftanstalt Moabit in Berlin eingekerkert. Nach der Befreiung im April 1928 durch Kommunisten unter Leitung seiner damaligen Lebensgefährtin Olga Benario, der späteren Ehefrau des Generalsekretärs der Kommunistischen Partei Brasiliens, Carlos Prestes, die 1942 im Konzentrationslager Ravensbrück ermordet wurde, floh er in die Sowjetunion.

Die Funktion bei der Volksbefreiungsarmee übernahm er nach einem Studium an der Frunse-Militärakademie der Roten Armee 1932, in der er auch den Plan für den »Langen Marsch« erarbeitete. In seinen »Chinesischen Aufzeichnungen 1932–1939« (Dietz-Verlag, Berlin/DDR 1975) hat er ein sehr detailliertes Bild von diesem militärisch einmaligen Feldzug gezeichnet, bei dem die Befreiungsarmee 10.000 Kilometer zurücklegte, zwölf Provinzen durchquerte, 18 Gebirgszüge, davon fünf mit ewigem Eis und Schnee, überwand und 24 breite Flüsse überquerte, dabei unzählige, auch verlustreiche Gefechte mit den an Waffen und Menschen überlegenen Kräften des Gegners bestand.

Als erstes durchbrach sie die Stellungen der Guomindang, die die Militärberater der Reichswehr für »unüberwindlich hielten«. Von 57.000 bis 61.000 Kämpfern zu Beginn hatten am 20. Oktober 1935 den »Langen Marsch« im nordwestlichen Wajaubau 5.000 bis 6.000 Soldaten überlebt.

Nach der Rückkehr nach Moskau 1939 arbeitete Otto Braun nach dem Überfall Hitlerdeutschlands unter Kriegsgefangenen und lehrte an der zentralen Antifaschule in Krasnogorsk. In der DDR war er von 1961 bis 1963 Sekretär des Schriftstellerverbandes, danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED verantwortlich für die 40bändige Gesamtausgabe der Werke Lenins. Otto Braun verstarb am 15. August 1974 in Warna in Bulgarien.

Doris Prato, per E-Mail

Beeindruckend

Zu jW vom 2./3.11.: »Kundschafter des Friedens«

Danke für die Erinnerung an diese beeindruckende Persönlichkeit. Zum ersten Mal wurde ich auf Richard Sorge alias »Ramsay« aufmerksam, als Mitte der 60er Jahre in den DDR-Kinos der Film »Dr. Sorge funkt aus Tokio« lief. Danach kaufte ich mir die in der DDR erhältliche Literatur. Vor Jahren erschien auch ein interessanter Film, »Richard Sorge – Spion aus Leidenschaft«. Zu erwähnen sind auch seine zeitweise Zusammenarbeit mit »Sonja« (Ruth Werner) und Agnes Smedley in China. Die Informationen Sorges an die Sowjetunion wurden mitnichten »missinterpretiert«, die Missachtung lag im System Stalins. Es gab ja auch entsprechende Informationen von anderen Kundschaftern aus Westeuropa, ja sogar von späteren Verbündeten. Hinzuzufügen ist auch, dass die Kontaktleute Sorges im sowjetischen Geheimdienst in der Zeit der »Säuberungen« liquidiert wurden, z. B. Jan Bersin, wie vorher auch die Führung der Roten Armee um Michail Tuchatschewski.

Reinhard Sandrock, Dresden

Ja, aber anders!

Zu jW vom 2./3.11.: »Ampelstreit: Neues Papier von Minister Lindner«

Wo er recht hat, hat er recht, der Herr Lindner. Deutschland braucht tatsächlich eine Neuausrichtung der Wirtschaft. Allerdings auf keinen Fall die, die Herr Lindner meint.

Christel Harke, per E-Mail

Es ist nicht die Schuld der Technik, sondern es sind die gesellschaftlichen Verhältnisse, die darüber bestimmen, ob aus ihr Segen oder Fluch resultiert.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!