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Aus: Ausgabe vom 08.11.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Klimakatastrophe

1,5-Grad-Marke erreicht

Mörderische Hitzewellen und dramatische Hochwasser nur der Anfang. EU-Klimaprogramm Copernicus präsentiert alarmierende Zahlen
Von Wolfgang Pomrehn
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15.633 Hektar überflutetes Gebiet : Aufräumarbeiten im spanischen Paiporta nahe Valencia nach dem Hochwasser

Die erste Latte ist fast gerissen. Die globale Erwärmung solle »möglichst« auf 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau beschränkt werden. So hat es die internationale Staatengemeinschaft 2015 in Paris vereinbart. Nahezu alle UN-Mitglieder haben das unterschrieben und ratifiziert. Nun ist dieses Niveau beinahe erreicht, wie das EU-Klimaprogramm Copernicus am Donnerstag mitteilt. In den vergangenen zwölf Monaten von November 2023 bis Oktober 2024 war die globale Durchschnittstemperatur sogar bereits 1,62 Grad Celsius höher als in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die allgemein als Maßstab gilt. Das laufende Jahr wird, so die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die ihre Analysen auf Milliarden Wetterdaten aus aller Welt stützen, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das erste sein, in dem die im Pariser Klimaabkommen aufgelegte Marge überschritten wird. Allerdings gibt es natürliche Schwankungen der globalen Temperatur um 0,1 bis 0,2 Grad Celsius von Jahr zu Jahr. Es ist daher davon auszugehen, dass 2025 wieder etwas kühler ausfallen wird. Darum wird es vermutlich noch ein paar Jahre dauern, bis die Schwelle dauerhaft überschritten ist.

Dennoch sind die Nachrichten alarmierend. Die vergangenen Monate haben einmal mehr einen Eindruck davon vermittelt, was mit dem Klimawandel auf uns zukommt: mörderische Hitzewellen – in Thailand kletterte das Thermometer bereits im April auf 52 Grad Celsius – und dramatische Regenereignisse, die schwere Überschwemmungen auslösen. Weit überdurchschnittlich warme Meere sorgten 2024 rund um den Globus für katastrophale Niederschläge – im März in Uruguay, im Juni in Bayern, im Juli in Pakistan, Nord- und Südkorea, Äthiopien, auf den Philippinen, dem chinesischen Festland und auf Taiwan, im August im Jemen, in Japan, Bangladesch und in weiten Teilen Westdeutschlands, im September in Nepal, Südkorea, Marokko, Mali, Niger, Nigeria, Vietnam, Südchina, auf den Philippinen, in den USA und in Mittel- sowie Südosteuropa und im Oktober in Bosnien, Italien, den USA, Marokko, Frankreich und auf Kuba. Oft gab es Dutzende, in einigen Fällen gar Hunderte Tote, vielfach war von den schlimmsten Wetterereignissen oder einem der schlimmsten je beobachteten Wetterereignisse die Rede. Die Gesamtsumme der Schäden dürfte weit über 100 Milliarden Euro liegen.

Zuletzt haben die Hochwasser an der spanischen Mittelmeerküste gezeigt, was bei einer Mischung aus schlecht vorbereiteten Behörden und Klimakatastrophe herauskommen kann. Dort ist die Zahl der offiziell gemeldeten Todesopfer inzwischen auf 217 gestiegen. Mindestens 89 Menschen werden nach Angaben der britischen Zeitung Guardian noch vermisst. Satellitenaufnahmen der Europäischen Raumfahrtagentur ESA vom 31. Oktober zeigen ein überflutetes Gebiet von 15.633 Hektar (156,33 Quadratkilometer) südlich von Valencia, in dem etwa 190.000 Menschen leben. Provinzregierung und nationale Behörden in Madrid werfen sich gegenseitig vor, nicht rechtzeitig vor dem Unwetter gewarnt zu haben.

Derweil zeigen die Copernicus-Daten, dass auch im Oktober viele Meere noch für die Jahreszeit viel zu warm sind. Einige Gebiete in den Subtropen, aber auch vor der kanadischen Atlantikküste und nördlich Skandinaviens zeigen sogar die höchsten zu dieser Jahreszeit gemessenen Temperaturen. Samantha Burgess, stellvertretende Direktorin des Copernicus Climate Change Service, spricht von einem »neuen Meilenstein in den Temperaturaufzeichnungen, der zu verstärkten Anstrengungen auf der UN-Klimakonferenz führen sollte«. Die soll in der nächsten Woche beginnen.

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