Müllabfuhrmittel: Graue Tonne
Von Marc HieronimusMontag morgen leeren sie die graue Tonne. So befreit fängt die Woche gleich gut an, entschlackt, erleichtert, gereinigt. Das Verschwinden des Mülls fühlt sich noch besser an als das Leeressen lang herumgestandener Marmeladengläser, es ist der Stuhlgang des Gewissens, die Leerung der grauen mehr noch als die der blauen oder gelben Tonne, ahnt man doch bei denen, dass der ganze Müllvermeidungs- und Wiederverwertungszirkus ein gigantischer Fremd- und vor allem Selbstbetrug ist. Denkt wirklich jemand, eine Maschine oder irgendein Hilfsarbeiter spült Quarkbehälter aus und popelt das Metall von Bonbonpapierchen? Wundert sich irgendwer ernsthaft, dass trotz Wattestäbchen- und Plastikdeckelverbot der gelbe Sack nicht kleiner wird?
Kaum vorstellbar jedenfalls, dass es das Müllabfuhrmittel nicht immer schon gegeben hat. In Köln hat man neben den Fundamenten eisenzeitlicher Häuser rätselhafte Gruben voller zerbrochener Keramik entdeckt. Wahrscheinlich kam der Lehm für die Backsteine aus der Grube, das nutzlose Loch hat man dann nach und nach mit Abfall gefüllt, und das zerschlagene Geschirr ist das einzige, was nicht verrottet ist. Nicht nur die Natur, auch die Kultur duldet eben keine Leere. Wie lang mag so ein Haushalt gebraucht haben, um eine Kuhle zu füllen, wenn außer den Scherben alles zu Kompost wurde?
Heute verfüllen wir in viel größerem Maßstab: Kieslöcher, Salzstöcke, Tagebaue heben wir erst aus, dann machen wir sie mit Plastikabfall wieder dicht. Oder mit Atommüll, wie in Büren (Frankreich). Der ist aus den Augen, aber bleibt im Sinn, er muss nämlich noch ein paar Jahrtausende gewartet werden. 1969 fragte der frühe Umweltschützer Pierre Fournier auf der Titelseite von Hara-Kiri anlässlich der Mondlandung »Was werden wir auf dem Mond machen?« und zeichnete einen hockenden Astronauten mit heruntergelassenem Raumanzug. Will sagen: Jetzt versauen wir auch den, oder vielmehr die, auf französisch. Ach, wenn, was wir der Nachwelt hinterlassen, doch nur Scherben und Scheiße wären!
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!
Mehr aus: Feuilleton
-
Nichts ist für die Ewigkeit
vom 08.11.2024 -
Italians Do It Better
vom 08.11.2024 -
Ein Glücksfall der Filmgeschichte
vom 08.11.2024 -
Nachschlag: Gasrechnung für Trump
vom 08.11.2024 -
Vorschlag
vom 08.11.2024