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Aus: Ausgabe vom 08.11.2024, Seite 16 / Sport
Sportpolitik

»Der DOSB muss lauter werden«

Der Vereinsverbund Freiburger Kreis wird 50 – und schlägt Alarm
Von Andreas Müller
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Anhaltendes Ärgernis: Marode Sportstätten

Mehr Engagement zugunsten des Breiten- und Hobbysports und weniger Zurückhaltung gegenüber der Politik: Das fordert der Freiburger Kreis, 1974 im Breisgau gegründeter Verbund der großen Sportvereine, vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB). »Wir erwarten vom DOSB, dass er endlich lauter wird und deutlicher unsere Interessen vertritt«, so Boris Schmidt, Vorstandsvorsitzender des Freiburger Kreises, gegenüber jW. »Wir brauchen unbedingt die Unterstützung von seiten unseres Dachverbandes. Der Sport insgesamt und das, was er für die Gesellschaft leistet, muss mehr anerkannt werden.«

Der DOSB müsse stärker »als Lobby­ist und Interessenvertreter vor allem des Vereinssports« sichtbar werden, formuliert Schmidt seine Erwartung, die er im Namen seiner Organisation im Laufe dieser Woche in einem persönlichen Gespräch gegenüber der DOSB-Chefetage zum Ausdruck brachte. Bereits zu Zeiten der Coronapandemie sei der Vereinssport »untergebuttert« worden. Lange schon herrsche große Unzufriedenheit wegen der maroden Sportstätten, wegen immer neuen bürokratischen Hürden, den Verhältnissen im Schulsport oder neuerdings aufgrund des »Entwicklungsplans Sport« der Bundesregierung, der für den »kleinen Sport« keine spürbaren Verbesserungen bedeute. »Im Gegenteil, der Sport wurde von der Politik zuletzt zunehmend vorgeführt – und hat sich auch vorführen lassen.«

Der Freiburger Kreis besteht aktuell aus 203 Großvereinen mit jeweils (mindestens) 3.000 Mitgliedern, hauptamtlichen Mitarbeitern und eigenen Sportanlagen, er repräsentiert über eine Million Sporttreibende. Die Organisation gilt als »Lokomotive« für die bundesweit rund 86.000 Sportvereine, die mit insgesamt 28.764.951 Millionen Mitgliedern gerade einen neuen Rekord verzeichnen – ohne dass ihre Probleme adäquat zur Kenntnis genommen, geschweige denn ihr Verdienst angemessen gewürdigt werden. Jüngstes Beispiel und Anlass für Frust bei Schmidt und Mitstreitern ist der Entwurf für ein Gesundes-Herz-Gesetz (GHG) aus dem Bundesministerium für Gesundheit, der am Mittwoch dieser Woche im Bundestag beraten und an den Gesundheitsausschuss überwiesen wurde. Das GHG sieht vor, die Palette an Präventionskursen zugunsten der Verschreibung von Medikamenten und Pharmaka nachgerade zu liquidieren.

Ein Ansatz, der vom Sport, vor allem von den Krankenkassen heftig kritisiert wird. Der Gesetzgeber nehme mit dem GHG »beträchtliche Kollateralschäden in gut funktionierenden Bereichen der Gesundheitsversorgung in Kauf«, warnte etwa Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes. Sollte das Gesetz aus dem Hause des SPD-Ministers Kurt Lauterbach – Motto: »Pillen statt Prävention« – in dieser Form verabschiedet werden, »wäre damit das Aus für die von den gesetzlichen Krankenkassen finanzierten individuellen Gesundheitskurse besiegelt«.

Schmidt teilt Reimanns Sorgen. Der Gesetzentwurf sei »kurzsichtig«, alles andere als Ausdruck zeitgemäßer Gesundheitspolitik. »Wir haben im Bereich des Präventionssports besonders gut ausgebildete und qualifizierte Übungsleiter, die völlig im Regen stehen würden«, so Schmidt über Konsequenzen für seinen Heimatverein, die Turn- und Sportgemeinschaft (TSG) Bergedorf 1860 in Hamburg. Bei der TSG werden derzeit zehn Gesundheitskurse mit dem Schwerpunkt »Herz-Kreislauf-Prävention« angeboten, etwa 150 Personen nehmen daran teil.

Aufs Bundesgebiet gerechnet, haben die Krankenkassen im vergangenen Jahr rund 195 Millionen Euro für Leistungen »zur individuellen verhaltensbezogenen Prävention« aufgewendet. Was mehr als 1,5 Millionen Kursteilnahmen erlaubte, so der GKV als Spitzenverband der Krankenkassen auf jW-Anfrage. Es gehe dabei nicht nur um Bewegungskurse, die mit rund 60 Prozent den weitaus größten Teil ausmachten, sondern auch um Sturzprävention, Stress- und Ressourcenmanagement oder gesunde Ernährung.

»Sollte das Gesundes-Herz-Gesetz in die Praxis überführt werden, würden sich die finanziellen Mittel für Präventionskurse deutlich reduzieren, da die Krankenkassen gezwungen wären, ihre Ausgaben auf medizinische Leistungen umzulenken«, erzählt GKV-Sprecherin Claudia Widmaier. 186 Millionen Euro, die 2024 von den Krankenkassen für Präventivkurse bereitstehen, würden dann für Medikamente ausgegeben werden, um Herz-Kreislauf-Krankheiten zu bekämpfen. Mit der Folge, so Widmaier, dass sich »die Anzahl der Präventionskurse deutlich verringern müssen und damit auch die Einnahmen der Sportvereine«.

11.000 solcher Kurse, die das Qualitätssiegel »Sport Pro Gesundheit« tragen, bieten die Sportvereine momentan an. Die Krankenkassen vergüten ihre Durchführung nicht direkt, sondern erstatten ihren Versicherten weitgehend die Gebühren für die Kursteilnahme. Das bewährte Verfahren biete, so Schmidt, für engagierte Sportvereine im »System Gesundheitsprävention« noch einen Vorteil über den materiellen hinaus. Denn so docken bei den Vereinen regelmäßig auch Nichtmitglieder an. Es entstehe bisweilen eine enge Bindung, Kursteilnehmer würden zu treuen Vereinsmitgliedern – »mit nachhaltigen Effekten«, weiß Schmidt aus seiner täglichen Praxis. »Das alles ist über Jahre gewachsen und funktioniert. Damit wird unser Gesundheitssystem langfristig von Kosten entlastet. Mir erschließt sich nicht, wie man so etwas kaputtmachen kann.«

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