»Die Differenzen waren eher marginal«
Interview: Gitta DüperthalZwischen dem bislang FDP-geführten Justizministerium und dem SPD-geleiteten Innenministerium kam es zuletzt mitunter zu Auseinandersetzungen um Gesetzesvorhaben, die in Grund- und Bürgerrechte eingreifen. Müsste man den Einfluss der FDP nach deren Austritt aus der Koalition dahingehend vermissen?
Ausschlaggebend für den Bruch der Ampelkoalition waren nicht etwa Differenzen zwischen SPD und FDP in der Frage von Grund- und Bürgerrechten – die gibt es zwar, aber eher marginal. Grundlegend waren divergierende Vorstellungen, wie wirtschafts- und finanzpolitisch auf die Krise reagiert werden soll. Die FDP ist durch die Überreste ihrer früheren bürgerrechtlichen Positionen in bestimmten Politikfeldern etwas kritischer als Teile der SPD; etwa bezogen auf das Projekt der Vorratsdatenspeicherung. Hierbei hat die FDP teilweise den Ausbau von Überwachung und autoritärer Staatlichkeit verlangsamt. Diese vermeintlich progressive Rolle der FDP ist aber in keiner Weise überzubetonen. Wenn sie Teil von Regierungen war, wie auch jetzt in der Ampelkoalition, hat sie immer wieder harte Verschärfungen mitgetragen, zuletzt beim sogenannten Sicherheitspaket. Es kann keine Rede davon sein, dass sie progressive Bastionen gehalten hat.
Fällt Ihnen ein Positivbeispiel für ein Eintreten für Grundrechte durch Exjustizminister Marco Buschmann ein?
Die geplante Vorratsdatenspeicherung hat die FDP abgelehnt: mit dem Speichern und der Vorhaltung von Metadaten der Kommunikation, Telefonanrufen, Textnachrichten, E-Mails etc., mitunter auch verbunden mit Standortdaten. Buschmann befürwortete das Quick-Freeze-Verfahren, ein kurzfristiges und anlassbezogenes »Einfrieren« von Daten wie etwa IP-Adressen und Telefonnummern der an einem Anruf beteiligten Anschlüsse. Damit Polizei und Sicherheitsbehörden diese Daten bei den Telekommunikationsanbietern sichern lassen können, muss allerdings der Verdacht bestehen, dass eine erhebliche Straftat geschehen ist. Nur in dem Fall darf beantragt werden, diese Daten nicht zu löschen, sondern zur Strafverfolgung Zugriff darauf zu gewähren.
Beim »Sicherheitspaket«, bei dem Bundespolizei, Bundeskriminalamt und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge neue Befugnisse mit beispielloser Reichweite erhielten, war diese Handschrift der FDP nicht zu erkennen?
Nach den Anschlägen in Solingen und Mannheim war meiner Einschätzung nach keine weitere relevante Verzögerung beim Grundrechteabbau mehr wahrzunehmen. Ich möchte drei Beispiele nennen, die die FDP allesamt mitgetragen hat. Erstens: das »Gesetz zur Verbesserung der inneren Sicherheit und des Asylsystems«. Das sieht unter anderem vor, bestimmte Asylsuchende von jeglichen Sozialleistungen auszuschließen, der Obdachlosigkeit und Not preiszugeben. Zweitens: Eine Verschärfung des Waffenrechts hatte die FDP mit Verweis auf die Jägerinnen und Jäger verzögert. Bei den Waffenverbotszonen hat sie zugestimmt und damit anlasslose Kontrollen, etwa im ÖPNV oder bei Sport- und Kulturveranstaltungen, ermöglicht. Drittens: Der biometrische Abgleich von Fahndungsfotos mit im Internet öffentlich zugänglichen Bilddaten ist nur deshalb nicht verabschiedet, weil die CDU das Gesetz noch schärfer fassen wollte. Nicht etwa, weil die FDP widersprochen hätte.
Kritik gab es auch im Fall des »Gesetzes zur Verbesserung der Rückführung«. Die Unverletzlichkeit der Wohnung und Achtung die der Privatsphäre sollen nicht mehr gelten.
Auch da hat die FDP keinen relevanten Widerstand entgegengesetzt. Das gilt ebenso für Eingriffe ins Versammlungsrecht und in neue Polizeigesetze. Der bürgerrechtliche Flügel, den es in der früheren FDP gab, ist heute faktisch nicht mehr existent.
Was erwarten Sie für die Zeit nach dem Bruch der Ampel?
Sollte es im Januar oder März Neuwahlen geben, wird mutmaßlich die CDU/CSU führende Kraft. Eine Kanzlerschaft von Friedrich Merz ist wahrscheinlich. Wir müssen uns darauf einstellen, dass weitergehende Angriffe auf die Grund- und Menschenrechte erfolgen werden, eine weitere Entwicklung in Richtung eines autoritären Staates. Dies könnte eine Dynamik des Auftriebs der emanzipatorischen Kräfte zur Folge haben. Wir müssen entgegenhalten.
Fabian Georgi ist Politikwissenschaftler und politischer Referent beim Komitee für Grundrechte und Demokratie e. V.
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