Laudatio
Von Felix BartelsAlle Geschichte ist schon geschrieben. In »Nach Notat zu Bett« findet sich der Eintrag: »8.10. Beim Nobelpreis übergangen.« Wen Heinz Strunk da parodiert, ist eindeutig. Im Oktober 1929 hatte Sigmund Freud notiert: »Im Nobelpreis übergangen.« Da war an Clemens Meyer noch nicht zu denken.
Vor wenigen Wochen nämlich hat sich in Frankfurt beim Deutschen Buchpreis eine Posse ereignet. Oder eine Tragödie, je nachdem, welchen der Beteiligten man fragt. Meyer, dessen wunderbarer Vorname soviel wie »der Freundliche, Milde« bedeutet, verließ schnaubend den Festsaal, mit einem »Macht euern Dreck doch alleene« oder so. Er hatte mit dem Preis gerechnet, der aber ging an Martina Hefter. Dabei habe er doch eine Scheidung zu finanzieren und 35.000 Euro Steuern nachzuzahlen. Ein Versorgungsausgleich kann sich auswachsen, vor allem, wenn man so viel verdient hat, dass derart viele Steuern nachzuzahlen sind. Nur, auch Hefter könnte von Problemen erzählen. Ihr Ehemann leidet an schwerer Krankheit, was gewiss Zeit und Geld kostet.
Hat Meyer sich danebenbenommen? Sicher ist die Meinung possierlich, ein Preisgeld sei gewissermaßen dazu da, persönliche Probleme der Literaten zu lösen. Entsprechend viel wurde denn auch gelacht. Doch auch der Buchmarkt ist ein Markt. Stirb oder lass sterben. Meyer indessen kann sich jetzt als versöhnt betrachten. Am Donnerstag erhielt er den Bayerischen Buchpreis. Martina Hefter war ebenfalls nominiert, diesmal ging sie leer aus. Endlich Gerechtigkeit. Das Universum ist im Gleichgewicht.
Und Freud? Der Autor, ein Narziss. Im Narzissmus wird das Ich überhöht, indem es sich überhöht oder andere herabsetzt. Meyer hat binnen weniger Wochen beides geschafft. Man kann darüber lachen oder feststellen: Er hat ausgesprochen, was alle anderen bloß denken.
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