Schweiz schwankt
Von Dominic ItenIm Gespräch mit dem Boulevardblatt Blick hat der Schweizer Justizminister Beat Jans bekräftigt, was Bundespräsidentin Viola Amherd bereits klargestellt hatte: Man wolle bei den langwierigen Verhandlungen mit der EU über ein Kooperationsabkommen auf einer Klausel bestehen, die es ermöglicht, betreffend Zuwanderung »Schutzmaßnahmen« zu ergreifen, so Jans laut dem Onlinebeitrag vom Sonntag. Grundsätzlich stehe man zur Personenfreizügigkeit mit der EU, doch müsse man handlungsfähig bleiben für den Fall, dass »die nachteiligen Folgen der Zuwanderung« zu groß würden. Ohne Schutzklausel drohen die Verhandlungen mit der EU innenpolitisch zu scheitern, erklärte Jans.
Mit dem EU-Rahmenabkommen würde die Schweiz »an Souveränität, an Stärke und an Sicherheit« gewinnen, beteuerte er weiter. Er stützt damit den jüngst eingeschlagenen Kurs des Gesamtbundesrates, sich auf allen möglichen Ebenen enger mit den Institutionen des imperialen Westens zu verschränken: »Es herrscht Krieg in Europa. Unsere Demokratie wird angegriffen, unsere Sicherheit wird angegriffen. Wir müssen unsere Werte verteidigen. Werte, die die Schweiz stark gemacht haben und auf die wir stolz sein können.«
Dummerweise werden jetzt diese »Werte« aber auch vom Westen bedroht. Mit Donald Trump wird nun wieder der Mann im Oval Office sitzen, auf den sich Europa im Kampf gegen den »bösen Osten« nicht verlassen kann. Trump hat mehrfach deutlich gemacht, dass sich unter seiner Führung alle außenpolitischen Fragen dem einen Ziel unterzuordnen haben: den systemischen Rivalen China zu schlagen. Auch die Einstellung oder zumindest drastische Reduktion militärischer und finanzieller Unterstützung für die Ukraine folgt diesem Ziel. Im Machtkampf um die globale Hegemonie sieht Trump das Eingreifen in den Ukraine-Krieg als Verschwendung von Ressourcen.
Europa wird also die Mittel zur Verteidigung seiner »Werte« künftig selbst bereitstellen müssen – eine Erkenntnis, die auch die Schweiz erreicht hat. Nach der Wahl Trumps zum US-Präsidenten scheint – mit Ausnahme der rechten Schweizer Volkspartei (SVP) – den bürgerlichen Politikern eine Anbindung an die EU dringender als je zuvor. Die Schweiz soll eben nicht nur von den wirtschaftlichen Beziehungen zur EU profitieren, sondern auch Teil der neuen Sicherheitsarchitektur sein, die nach Trumps außenpolitischem Kurswechsel den Frieden in Europa sichern soll.
Das ist einfacher gesagt als getan. Nicht zuletzt, weil sich die SVP gegen den Gesamtbundesrat stellt und damit die übrigen Parteien vor sich hertreibt. Mit der »Nachhaltigkeits-« und der »Neutralitätsinitiative« bestimmt die SVP das politische Klima und gibt die Richtung vor: Ein Rahmenabkommen muss zwar her, gleichzeitig hat die Schweiz aber gegenüber ihren Nachbarn Stärke zu demonstrieren.
So warnte die grünliberale Nationalrätin Corina Gredig im Gespräch mit dem Tagesanzeiger vom Montag davor, in der EU-Debatte »angsthasig« zu sein. Und zwei Tage zuvor hatte der Präsident der Partei »Mitte«, Gerhard Pfister, gegenüber dem Bund verlauten lassen: »Aus Angst vor Trump der EU Konzessionen zu machen, wäre absolut falsch.« Das Rahmenabkommen sei für die Schweiz unabdingbar, aber »ohne glaubwürdige Lösung bei der Zuwanderung« werde es nicht gehen.
Was sich in den schwankenden Positionen zur EU ausdrückt, sind globale Widersprüche, die sich mit den jüngsten Ereignissen auf dem internationalen Parkett nochmals zugespitzt haben. Die Schweiz taumelt zwischen einer Anbindung an den westlichen Block, die sie nur halbwegs will, und der Behauptung einer Selbständigkeit, die sie nicht haben kann.
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