»Entspannungspolitik geht anders«
Interview: Gitta DüperthalDie Rüstungslobby lädt für Dienstag und Mittwoch zur »Berlin Security Conference«, BSC, ein. Das Bündnis »#NoBSC« ruft zum Protest auf und fordert, Aufrüstung und Sozialkahlschlag zu stoppen. Wer tagt da, und warum sollte das Anlass zur Sorge sein?
Bei der Konferenz treffen Politik, Militär und Industrie aufeinander, um zu besprechen, wie die EU und die NATO ihre wirtschaftlichen Interessen in der Welt durchsetzen können. Rüstungskonzerne wie der US-Riese Lockheed Martin oder die Panzerschmiede Rheinmetall machen dort ihren Einfluss geltend. Die Industrievertreter wirken zusammen mit Generälen, Admiralen, darunter der israelische Brigadegeneral Dror Shalom, auf Abgeordnete, Botschafter und Minister des Auswärtigen ein, die sich als vermeintlich zuständig für »Sicherheit« bezeichnen. Teilnehmerinnen und Teilnehmer wollen ihre globale Vorherrschaft über Arbeitskräfte, Ressourcen und Märkte sichern, die Geschichte Europas in ihrem Sinn regeln. Sie blicken auch nach Afrika, auf den indopazifischen Raum, den Nahen und Mittleren Osten. Es geht ihnen um sogenannte Kriegstüchtigkeit, die Bundeskriegsminister Boris Pistorius von der SPD in Deutschland ausgerufen hat. Arbeiterinnen und Arbeiter, vor allem junge Menschen, sollen rekrutiert werden, die allgemeine Wehrpflicht wieder eingeführt werden. Darunter werden wir alle leiden. Wir wollen weder, dass jemand getötet wird, noch jemanden töten. Die Waffenindustrie will aber Profit herausschlagen, indem sie den Tod von Menschen in Kauf nimmt. Das befördert die Konferenz.
Die BSC rühmt sich, die Veranstaltung sei frei von staatlichem Einfluss, werde nicht aus öffentlichen Mitteln gefördert. Ist das so?
Von wegen, das ist ja wohl ein Witz. Diese Konzerne scheffeln Milliardengewinne. Unsere Regierung läutet die sogenannte Zeitenwende ein, spart an Schulen, Krankenhäusern, am Nahverkehr und sozialen Angelegenheiten. Sie steckt unser Geld in Aufrüstung und Militär.
Das Credo der Rüstungslobby lautet »Abschreckung von Bedrohungen«. Frieden sei nur möglich, wenn es genug Waffen im Land gäbe, so dass sich Aggressoren erst gar nicht trauten, anzugreifen. Was würden Sie entgegnen?
Ihre Kriegslogik trifft vor allem junge Menschen, denen ihre Zukunft genommen wird. Globale Konflikte können nicht mit militärischer Gewalt gelöst werden. Das hat noch nie funktioniert. Sie müssen diplomatisch gelöst werden, ohne dass Menschen darunter leiden oder dafür sterben müssen.
Die Lobbyisten führen das kürzlich geführte Telefonat des Bundeskanzlers Olaf Scholz mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin an. Kurz nach dem Telefonat erfolgten schwere Angriffe auf die Ukraine.
Sie haben eine Stunde miteinander gesprochen. Was genau, ist nicht transparent. Einerseits sagt Scholz im Gespräch, der Krieg müsse beendet und es solle verhandelt werden. Zugleich aber ist die Stationierung von Mittelstreckenraketen in der BRD angekündigt. US-Präsident Joseph Biden erlaubt der Ukraine jetzt, Raketen mit Reichweite bis nach Russland zu verwenden. Die Lieferung von »Taurus«-Marschflugkörpern wird debattiert. Entspannungspolitik geht anders. Der Ukraine-Krieg ist kein isoliertes Ereignis, sondern Ausdruck tief verwurzelter kapitalistischer und imperialistischer Widersprüche. Die NATO ist nicht Teil der Lösung. Russland hat den völkerrechtswidrigen Krieg begonnen. Wir dürfen aber nicht ignorieren, dass die wortbrüchige NATO-Osterweiterung zur Vorgeschichte gehört. Niemand darf in den Krieg gezwungen werden. Wir brauchen einen Waffenstillstand und müssen Kriegsdienstverweigerer aus Russland und der Ukraine aufnehmen.
Einer Ihrer Slogans lautet »Wir wollen die Kriegslogik brechen«. Wie wollen Sie das anstellen?
Wir wollen darauf hinweisen, dass die Konferenz in Berlin stattfindet: Arbeiterinnen und Arbeiter zahlen für das Schüren des Unfriedens, während Konzernbosse und Militärlobbys sich daran bereichern. Wir werden die Vorbereitung von Kriegen auf unserem Rücken nicht hinnehmen.
Luisa Mayer ist Geschäftsführerin der Linksjugend Solid Berlin
Demonstration: Dienstag, 19.11., 18 Uhr, vor dem Tagungsort der Konferenz, Vienna House by Wyndham Andel’s, Landsberger Allee 117 A in Berlin
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