Sturm auf Aleppo
Von Nick BraunsIm Nordwesten Syriens haben von der Türkei unterstützte dschihadistische Kampfverbände am Mittwoch einen Großangriff gegen syrische Regierungstruppen und deren iranische Verbündete im Gouvernement Aleppo gestartet. Es sind die schwersten Gefechte in der Region, seit im März 2020 zwischen Russland als Verbündetem der syrischen Regierung und der Türkei als Unterstützer der islamistischen Milizen ein Waffenstillstand vereinbart worden war.
In einer Erklärung der syrischen Armeeführung vom Donnerstag heißt es, »bewaffnete terroristische Organisationen« hätten einen »großangelegten Angriff auf breiter Front« gestartet und »schwere Verluste an Ausrüstung und Menschenleben verursacht«. Bis Donnerstag nachmittag eroberten die Angreifer rund drei Dutzend Orte im Westen von Aleppo und rückten bis auf wenige Kilometer an die Großstadt heran. Auch die strategisch wichtige Schnellstraße M 5, die Aleppo mit Damaskus verbindet, geriet in ihre Schussweite. Die Kämpfe forderten bis Donnerstag mittag nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte 142 Todesopfer auf beiden Seiten. Auch der Kommandeur der iranischen Militärberater in Aleppo, Brigadegeneral Kiyomarth Porhashmi, sei von »Terroristen mit Verbindung nach Israel« getötet worden, meldete die iranische Nachrichtenagentur SNN.
Angeführt wird die Offensive von der Dschihadistenallianz Haiat Tahrir Al-Scham (HTS). Kerngruppe dieser in westlichen Medien gerne als »Rebellen« oder »syrische Opposition« bezeichneten Truppe von Kopfabschneidern, die unter türkischer Protektion ein Emirat in der Provinz Idilb errichtet hat, ist die syrische Al-Qaida. Viele ihrer Kämpfer sind keine Syrer, sondern Kämpfer aus dem Kaukasus und Uiguren. Auch Einheiten der in türkischem Sold stehenden Syrischen Nationalarmee sind im militärischen Operationsraum aktiv, wie türkische Offizielle gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters bestätigten.
Ziel des Angriffs sei es gewesen, die Grenzen einer 2019 von Russland, der Türkei und dem Iran vereinbarten, aber im folgenden Jahr von der syrischen Seite verletzten Deeskalationszone wiederherzustellen, gab eine hochrangige türkische »Sicherheitsquelle« gegenüber dem Portal Middle East Eye an. »Was ursprünglich als begrenzte Operation geplant war, weitete sich aus, als die Truppen des Regimes begannen, aus ihren Stellungen zu fliehen.« Den aus Idlib vorstoßenden Angreifern kam bei ihrer Überraschungsoffensive das hügelige Gelände zugute, über das sie tief in die syrischen Verteidigungslinien vordringen konnten. Diese waren vor allem von Wehrpflichtigen besetzt, die beim Feindkontakt mit den besser ausgebildeten Dschihadisten vielfach die Flucht ergriffen. Die Angreifer setzten zudem Überwachungs- und Kamikazedrohnen ein, bei deren Gebrauch sie von ukrainischen Ausbildern angeleitet wurden. Die syrische und russische Luftwaffe bombardierten insbesondere die Nachschublinien der Angreifer, während Regierungstruppen eine Verteidigungslinie am westlichen Stadtrand von Aleppo errichteten. Die schlagkräftigsten Einheiten in der Region Aleppo bilden dabei die mit dem Iran verbündeten Milizen, gegen die die israelische Luftwaffe regelmäßig Angriffe fliegt. Es scheint kein Zufall zu sein, dass der NATO-Staat Türkei die neue Front gegen iranischen Einfluss in Syrien am Tag nach der Waffenruhe zwischen Israel und der Hisbollah im Libanon eröffnet hat.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Ulf G. aus Hannover (1. Dezember 2024 um 18:22 Uhr)Bereits 2011 ging es dem Westen um eine Schwächung Russlands, als man die gegen Assad kämpfenden Dschihadisten unterstützte, um so u. a. die von Assad abgelehnte Gaspipeline von Katar nach Europa doch noch verwirklichen und Russland vom europäischen Gasmarkt verdrängen zu können. Letzteres Motiv steht ja auch mit hinter dem Ukrainekrieg, wie die amerikanischen Sanktionen gegen Nordstream belegen. Nun scheint die Idee einer Schwächung Russlands via Syrien neuen Auftrieb zu erhalten, zumal die jüngsten US-amerikanischen Sanktionen gegen russische Banken auch die Türkei zwingen, sich nach anderen Gaslieferanten umzusehen, statt sich auf Turkstream zu verlassen. Ein Sturz Assads ist leichter zu bewerkstelligen, wenn die schlagkräftigen Hisbollahkämpfer im Libanon gebunden sind. Damit ist es bald vorbei, auch wenn Israel die Grenzübergänge zwischen Libanon und Syrien bis zur Dysfunktionalität zerbombt hat, so eine der letzten Meldungen von sana.sy, bevor diese Nachrichtenseite lahmgelegt wurde (https://web.archive.org/web/20241128030938/https://sana.sy/en/?p=342345). Die ukrainische Unterstützung für die HTS-Terrortruppe passt ebenfalls ins russophobe Konzept. Bei der israelischen Unterstützung für die Terroristen wird es indes eher um die Unterbrechung der Nachschublinie vom Iran in den Libanon gehen. Israel soll sogar von den Hisbollah erbeutete Waffen an die Rebellen aus Idlib weitergegeben haben (https://de.euronews.com/2024/11/28/kaum-hat-der-waffenstillstand-im-libanon-begonnen-hat-sich-der-konflikt-nach-syrien-verlag). Israelischerseits wurden Islamisten wie der Islamische Staat ja schon früher als das geringere Übel im Vergleich zu Assad angesehen. Ob man dem folgen soll, ist fraglich. Die Islamisten haben ihrem Ruf als Halsabschneider schon wieder alle Ehre gemacht (https://www.moonofalabama.org/2024/11/us-allies-reignite-war-on-syria-.html). Diese Seite sieht auch Frankreich hinter den HTS-Attacken. Der Ausgang des syrischen Bürgerkriegs ist nun wohl wieder offen.
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Leserbrief von A. Varese (29. November 2024 um 14:17 Uhr)Interessant erscheint, dass die sog. Dschihadisten von der Ukraine Unterstützung erhalten. Vermutlich wird diese Information kaum an markanter Stelle in ARD und ZDF erwähnt. Wer diese netten Zeitgenossen sonst noch unterstützen mag, kann man nur spekulieren.
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