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Aus: Ausgabe vom 02.12.2024, Seite 8 / Ansichten

Alternativer Faktenfinder des Tages: Boris Palmer

Von Matthias Rude
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Bei ihm raucht′s: Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer eröffnet eine Brücke für Radfahrerinnen und Radfahrer (16.10.2024)

Politik müsse »mit der Wirklichkeit beginnen«, proklamierte Deutschlands berüchtigtster Lokalbürgermeister Boris Erasmus Palmer bereits 2019 in seinem Opus malum »Erst die Fakten, dann die Moral«. Ob der ehemals hochbegabte Waldorfschüler, der mit seiner politischen Karriere seit 2007 als notorischer Dauer-OB in Tübingen feststeckt, sich selbst noch in der Wirklichkeit zurechtfindet, darf spätestens nach seinen neuesten Auslassungen bezweifelt werden. »Die Relevanz von Messerangriffen ist seit dem Attentat von Solingen im öffentlichen Bewusstsein angekommen«, schrieb er am Freitag morgen auf Facebook – und auch der seiner Regentschaft unterstellte schwäbische Provinzbezirk müsse nun zittern vor dem Messer-Muselman: Ein Angreifer, »mit hoher Wahrscheinlichkeit Afghane«, habe den Fahrgast eines Busses sowie Polizisten »mit dem Messer« attackiert.

Sofort gingen Anrufe bei der örtlichen Polizei ein – von Menschen, die von einer »Messerattacke« am Donnerstag abend ausgingen. Die Ordnungshüter wussten davon nichts. »Es wird bezweifelt, dass der Vorfall stattgefunden hat. Es war Anfang November«, versicherte Palmer in einem erneuten Beitrag am Freitag nachmittag – um am Sonnabend dann plötzlich von einem Angriff »am 17. Oktober« zu sprechen, der »verschieden geschildert« werde. Am 17. Oktober wurde tatsächlich eine Auseinandersetzung in einem Bus gemeldet: Ein Mann hatte versucht, eine Frau in einem Bus zu schlagen; der 25jährige wurde wegen versuchter Körperverletzung angezeigt. Ein Messer wurde nicht gefunden.

Merke: Immer erst die Fakten checken, bevor man etwas via Facebook rausposaunt, nur weil es ins eigene Weltbild passt. So etwas passiert wohl, wenn man ständig nach Beifall von rechts heischt. Um Palmers Buch zu zitieren: »Eine tragische Geschichte, die zeigt, wohin wir kommen, wenn wir Fakten nicht mehr gelten lassen.«

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