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Aus: Ausgabe vom 03.12.2024, Seite 5 / Inland
Internationale Wirtschaftsbeziehung

Handel ohne Standard

Bauernverbände mobilisieren mit bundesweitem Aktionstag gegen geplantes EU-Mercosur-Abkommen – mit mäßiger Resonanz
Von Oliver Rast
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Im Konvoi zum Protest: Treckerkolonne sächsischer Landwirte am Montag mittag auf dem Weg nach Dresden

Es geht auf die Zielgerade, deshalb die Tempoverschärfung beim Protest. Die Bauernorganisation Landwirtschaft verbindet Deutschland (LSV) hatte zum bundesweiten Aktionstag am Montag aufgerufen. In zahlreichen Städten – etwa in Schwerin, Dresden, Frankfurt am Main und in Kehl an der »Europabrücke« – protestierten Landwirte gegen das geplante »Freihandelsabkommen« der 27 EU-Staaten mit den südamerikanischen Mercosur-Ländern Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay. Schließen die Staats- und Regierungschefs den Pakt, ist die weltweit größte Freihandelszone mit 750 Millionen Personen perfekt.

Perfekt? »Nicht für uns Landwirte«, betonte LSV-Vorstandsmitglied Johannes Aalberts am Montag im jW-Gespräch, der sich auf den Weg in die Landeshauptstadt Mecklenburg-Vorpommerns gemacht hat. Zum Alten Garten vor dem Schweriner Schloss. Dort, wo die Protestkundgebung stattfindet. Warum nicht perfekt? »Weil Agrarprodukte in Südamerika unter ganz anderen Standards erheblich günstiger produziert werden«, weiß Aalberts. Importe aus dem Mercosur müssten denselben strengen Umwelt-, Klima-, Sozial- und Tierwohlregeln unterliegen wie die heimische Produktion, fordert der LSVer. Ferner braucht es eine Herkunftskennzeichnung für jedes Lebensmittel aus Südamerika. »Aus Transparenzgründen für Verbraucher.«

Ein Beispiel: argentinisches Rindfleisch. Steak aus dem Land der Gauchos gilt hierzulande als Delikatesse und Qualitätsprodukt – »gleichzeitig umfasst dessen Produktion Praktiken, die in Europa längst verboten sind, wie den Einsatz von Hormonen«, berichtete am Montag das Fachportal Top agrar. Und wenn auch noch Zollschranken wegfallen sollten, wären regionale Landwirte kaum noch wettbewerbsfähig, ergänzte Heike Müller, Geschäftsführerin des Bauernverbandes Malchin, einer Kleinstadt im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte, am Montag gegenüber jW.

Schroffer reagierte Thomas Frenk von der Bundesvertretung der Freien Bauern gleichentags auf Nachfrage dieser Zeitung. Zollvergünstigte Einfuhr von jährlich zusätzlich 100.000 Tonnen Rindfleisch, 180.000 Tonnen Geflügelfleisch und 180.000 Tonnen Zucker sei »ein Frontalangriff auf unsere Landwirtschaft und die Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln«.

Bloß, kommt das Abkommen überhaupt? Denn die »politische Grundsatzeinigung« zwischen EU und Mercosur gibt es seit Mitte 2019. Fortan wird verhandelt, besser: gefeilscht. Die Gespräche über das Abkommen seien nun aber auf technischer Ebene abgeschlossen, hatte die FAZ am vergangenen Freitag gemeldet – und stützt sich dabei auf Informationen aus dem Verhandlungsteam der EU. Es sei unterschriftsreif; »faktisch« jedenfalls. Das heißt: Beim Mercosur-Gipfel am 5. und 6. Dezember in Montevideo in Uruguay könnte die Tinte unter dem Vertragswerk trocknen, befürchten die Bauernrebellen. Richtig ist aber auch, Frankreich und Polen lehnen das Abkommen in der bisherigen Form ab. Wohl weiterhin. Ein Indiz: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen werde nicht am Gipfel teilnehmen, erklärte eine Sprecherin am Montag in Brüssel.

Davon unabhängig, welche handelspolitischen Alternativen sind möglich? Ein paar Ideen hat Ina Latendorf. Es gehe aus linker Sicht nicht allein um Marktzugänge und Umweltstandards, so die agrarpolitische Sprecherin der Gruppe Die Linke im Bundestag am Montag zu jW. »Das Hauptproblem des Abkommens ist die Fortschreibung des brachialen Konkurrenzdenkens nach Marktkriterien.« Unter kapitalistischen Bedingungen sei »Freihandel« nur für einen vorteilhaft: die stärksten. Profiteure seien Agrarmultis, kleine und mittlere Landwirtschaftsbetriebe würden ruiniert. Aber was statt dessen? Latendorf: Der Abbau von Handelsbarrieren funktioniere nur unter gleichberechtigten Zugangsbedingungen. Alternativ zum Mercosur-Abkommen wären der Umbau des EU-Agrarsubventionssystems zugunsten regionaler Wertschöpfung »und bilaterale Abkommen mit Südamerika auf Basis nachhaltiger und gerechter Tauschbeziehungen«.

Dafür braucht es aber weiter Druck, gewissermaßen von unten, von der Basis. Die Chancen stünden nicht schlecht, meint Frenk. Mercosur sei schließlich eines der ganz wenigen Themen, bei denen Bauern, Umweltaktivisten und Verbraucherschützer an vielen Kritikpunkten einig seien. Dafür müsse der Protest aber wieder wachsen. Deutlich. In Schwerin zogen rund 50 Landwirte mit Traktoren auf, nicht die angekündigten 300.

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