Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2024
Gegründet 1947 Donnerstag, 5. Dezember 2024, Nr. 284
Die junge Welt wird von 2993 GenossInnen herausgegeben
Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2024 Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2024
Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2024
Aus: Ausgabe vom 04.12.2024, Seite 8 / Inland
»Spionagerauchmelder« bei Vonovia

»Die Bewohner verweigern den Einbau«

Hessen: Mieter von Vonovia wehren sich gegen Daten sammelnde Rauchmelder. Ein Gespräch mit Daniel Katzenmaier
Interview: Gitta Düperthal
Rauchmelder_51347745.jpg
Der Spion an der Decke: Neue Rauchmeldermodelle sammeln verschiedene Daten und speichern sie in einer »Cloud«

Am Montag demonstrierten Mieter vor der Zentrale des Immobilienkonzerns Vonovia in Frankfurt am Main, um sich gegen Mieterhöhungen und den Einbau neuer Rauchmelder zu wehren. Was genau ist das Problem?

Zunächst: Die Rauchmelder, die Vonovia einbauen will, haben eine erweiterte Funktion. Sie messen etwa auch die Helligkeit und die Feuchtigkeit der Wohnung, was sich beides gegen die Mieter wenden kann. Im Fall des Messens der Feuchtigkeit könnte etwa später bei Schimmelbildung behauptet werden: Mieter seien schuld, weil sie entweder zu wenig geheizt oder falsch gelüftet hätten. Die Messung der Helligkeit könnte ebenso Ärger verursachen. Denn diese Daten werden in einer Cloud gespeichert. Sie können dann schnell in die Hände von Kriminellen oder Geheimdiensten gelangen, die so leicht herausfinden können, wann Mieter zu Hause sind; gerade im Winter. Datenschützer und Juristen weisen auf die Gefahr hin. Obendrein sollen die Kosten dafür, etwa sechs Euro, auf die Kaltmiete der Mieter umgelegt werden. Die Rauchmelder sind der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt.

Es gibt noch weitere Probleme?

Allerdings. Mietern wurden in Frankfurt zwischen 1.500 und 3.000 Euro Nachzahlungen für das Jahr berechnet, im Fall einer Mieterin in Berlin gar 9.000 Euro. Dies könnte sich eventuell so erklären: Da Vonovia mit Subunternehmen kooperiert, können etwa bei Energiekosten Grauzonenpreise entstehen. Ein Beispiel: Gaskosten könnten etwa als Fernwärme abgerechnet und der Börsenpreis dafür veranschlagt werden, der durch den Ukraine-Krieg bekanntermaßen explodiert ist. Auf die Mieter umgelegt, können so immense Kosten entstehen. Auch bei Betriebskosten für Gartenpflege oder Reinigung fordern Mietervereine und -initiativen bundesweit Belege, um zu prüfen, ob all dies tatsächlich, so wie behauptet, stattgefunden hat. Kontoauszüge könnten zeigen, ob an Unternehmen dafür gezahlt wurde. Weil Vonovia deren Herausgabe verweigert, halten viele Mieter ihre Zahlungen zurück.

Wie verlief die Demonstration in Frankfurt?

60 Menschen protestierten vor dem Immobilienunternehmen gegen die Spionagemelder, freilich erst ab 19 Uhr, weil die meisten berufstätig sind. Bei Vonovia war schon Feierabend. Wir fordern den Konzern auf, jetzt Stellung zu beziehen und machen Druck in der Öffentlichkeit. Nach unserer Schätzung haben etwa 50 Prozent der Mieter die Handwerker nicht hereingelassen. Die Bewohner verweigern den Einbau. Zudem: Rauchmelder zu erneuern ist eine Instandhaltung – keine Modernisierung. Es kann deshalb keine Mieterhöhung geben. Und: Der Einbau muss ohne erweiterte Funktion geschehen, ohne Datensammelwut.

In Baden-Württemberg ist die Vonovia bei den Rauchmeldern zurückgerudert. Sie würden inzwischen mit »deaktivierter Funkfunktion ausgeliefert, wenn vor der Montage keine Einwilligung vorliege«, heißt es.

So auch in Frankfurt. Dann aber trickste die Vonovia: Melder wurden von Handwerkern doch mit erweiterter Funktion eingebaut. Die Unterschrift, die Mieter als Bestätigung des Einbaus gaben, wertete das Unternehmen als Einwilligung.

In Ulm konnten Vonovia-Mieter den Einbau der »Spionagemelder« verhindern. Könnte das auch in Frankfurt gelingen?

Klar. Je mehr Mieter sich weigern, um so größer ist die Chance, den unerwünschten Einbau zu verhindern. Wenn sie standhaft bleiben, kann die Vonovia wenig dagegen tun. Das Unternehmen kann ja schlecht gegen Tausende Mieter jeweils einzeln vor Gericht klagen. Wir können deshalb nur alle auffordern, sich zusammenzuschließen. Sie können auch gern der Mietergewerkschaft beitreten. Wir organisieren das gemeinsame Vorgehen.

Daniel Katzenmaier ist der Erste Vorsitzende der Mietergewerkschaft Deutschland

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!