Der Zauberer
Von André DahlmeyerEinen wunderschönen guten Morgen! Basketball ist weiter im Kommen, sogar Deutschland wurde nach Dekaden der Dunkelheit ernsthaft vom (stabilen) Boom infiziert. Anlass genug, einen Blick über den großen Teich zu werfen – nach Argentinien. Die Silberländer waren 1950 schließlich die ersten Basketballweltmeister.
Bis sich die Sportwelt in Emanuel Ginóbili, den Publikumsliebling der San Antonio Spurs verliebte, gab es einen Spieler, der bis dahin als bester Basketballer Argentiniens aller Zeiten galt: Alberto Pedro »Beto« Cabrera. Topklubs waren hinter ihm her, Real Madrid, die Brasilianer von SE Palmeiras (São Paulo), Flamengo Rio de Janeiro. Das Geld konnte ihn nicht locken. Er war nicht bloß Argentinier, er war Bahiense. Im Basketballorbit seines Subkontinents ein Synonym für Ehre.
Angefangen hatte Beto als Fuß‑baller – in der Jugend von Olimpo de Bahía Blanca spielte er auf der Position des Innenverteidigers. Der Vater starb, als Cabrera neun Jahre alt war; die Familie – Mutter und Schwester – schuftete wie verrückt, um über die Runden zu kommen. Früh brach der Junge die Escuela Fábrica número uno ab – er musste arbeiten. In einem Land wie Argentinien ist das Leben eines Kindes vorgezeichnet. Früher reichte es, Angehöriger der Mittelklasse zu sein, doch die existiert heute nur noch in wenigen Städten. Wer nicht aus einer der »reichen Familien« stammt (etwa tausend Viehbarone »regieren« de facto das Land), dem bleiben nicht viele andere Möglichkeiten, als im zarten Alter von zehn anzufangen, Paco (Kokainabfallprodukt, das zu einem frühen Tod führt) einzuwerfen, in dem von korrupten Polizisten organisierten guten alten Bandendiebstahl tätig zu werden oder »legaler« Kinderarbeit nachzugehen. Sehr wenige Kinder bzw. Jugendliche beenden in Argentinien die Sekundärstufe, sofern sie überhaupt so weit gekommen sind. Präsident Javier Milei gilt Bildung als »Auslaufmodell«, als »Erfindung des Kommunismus«.
Mit dem Fußball klappte es nicht, und als der zwölfjährige Beto einen Schwimmwettkampf von Estudiantes de Bahía Blanca besuchen wollte, durfte er zuerst nicht rein – kein Geld. Er machte einen Deal, wurde am nächsten Tag Vereinsmitglied. Ein neues Leben begann, denn hier entdeckte ihn der große Talentförderer Víctor Blanco.
Der Spielstil des Point Guards Beto Cabrera war so künstlerisch wie effi‑zient. Hart in der Defense, zu einer Zeit, als Körperkontakt als Foul geahndet wurde. Cabrera wurde ehrfürchtig »Mandrake« gerufen, was Zauberer heißt. Seine Würfe aus der Halbdistanz nicht zu blocken, war ein Vergehen. Titel und Auszeichnungen aufzulisten, würde den Rahmen dieser Kolumne sprengen. Unvergessen: die Südamerikameisterschaft von 1979. Finalgegner war Brasilien, Cabrera der Kapitän. Unvergesslich auch die Amerikameisterschaft oder der Sieg der Stadtauswahl von Bahía Blanca am 3. Juli 1971 gegen den in Bestbesetzung aufgelaufenen Weltmeister Jugoslawien (78:75). Die Revanche fand 2002 in Indianapolis statt, die BR Jugoslawien (unter Trainerlegende Svetislav Pešić) besiegte im WM-Endspiel Argentinien nach Verlängerung mit 84:77.
Beto Cabrera beendete 1984 seine aktive Karriere. Mit 38. Nach 23 Jahren bei Estudiantes de Bahía Blanca, wo er 1999 zum Jahrhundertsportler gewählt wurde. Topathleten haben keine Vorbilder, nur Seelenverwandte. Seine waren der US-Amerikaner Clifford Luyk (Real Madrid) und Ivo Daneu aus Jugoslawien. Cabrera starb am 12. August 2000 mit 54 Jahren an Leukämie.
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