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Aus: Ausgabe vom 06.12.2024, Seite 3 / Schwerpunkt
Philippinen

Dynastische Fehden

Philippinen: Das Duterte-Lager nutzt Anhörungen im Kongress als Tribüne für Morddrohungen gegen das amtierende Marcos-Regime
Von Rainer Werning
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Ein Bild aus vergangenen Tagen. Sara Duterte und Ferdinand Marcos Jr. feiern gemeinsam ihren Wahlsieg (Manila, 30.6.2022)

Die politischen Geschehnisse der vergangenen zwei Monate in den Philippinen sind schon außergewöhnlich. Einmalig in der Geschichte des südostasiatischen Inselstaates ist ein intraelitärer Selbstzerfleischungsprozess im Gange, dessen An‑tagonisten zwei der politisch einflussreichsten Familiendynastien des Landes sind – der Marcos-Clan im Norden und der Duterte-Clan im Süden.

Noch im Frühjahr 2022 waren zwei Sprösslinge dieser Familien in scheinbar trauter Eintracht gemeinsam zur Präsidentschaftswahl angetreten, das höchste und zweithöchste politische Amt im Lande anzustreben. Und tatsächlich fuhren beide einen haushohen Sieg ein. Doch seit diesem Herbst ist das Tischtuch zwischen Präsident Ferdinand Marcos Jr. und seiner Vizepräsidentin Sara Duterte zerschnitten. Neben Macht und Pfründen – im Mai 2025 finden Wahlen zur Halbzeit der Präsidentschaft statt – geht es um das politische Erbe von Sara Dutertes Vater.

Rodrigo Duterte, langjährig Bürgermeister der größten südphilippinischen Stadt Davao und zwischen 2016 und 2022 Amtsvorgänger von Marcos, hatte während seiner Präsidentschaft einen gnadenlosen »Antidrogenkrieg« entfesselt, dem nach offiziellen Angaben mehr als 6.000 Menschen zum Opfer fielen. Internationale und nationale Menschenrechtsorganisationen gehen indes von etwa 30.000 Getöteten aus – meist arme Schlucker aus Elendsvierteln, die selbst Drogen genommen oder als kleine Dealer fungiert hatten. Dutertes Krieg war ein Verbrechen, das auch den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag auf den Plan gerufen hat.

Der philippinische Staat will allerdings unter Beweis stellen, dass seine Justiz selbst imstande ist, derartige Verbrechen zu ahnden. Im Repräsentantenhaus sind mehrere Ausschüsse gebildet worden, die sich neben dem »Antidrogenkrieg« auch mit Polizeimorden, Korruption, chinesischen Glücksspielsyndikaten und der Veruntreuung von Steuergeldern befassen. Was letztgenanntes Vorgehen betrifft, geriet Vizepräsidentin und Bildungsministerin Sara Duterte gleich mehrfach ins Visier von Kritikern, die ihr darüber hinaus Verschwendung und einen intransparenten Regierungsstil vorwarfen.

Doch anstatt Fragen zu beantworten, steigerte sich Duterte zusehends in Rage und warf ihren Kritikern vor, sie politisch kaltstellen, also ihres Amtes zu entheben zu wollen, um dem rivalisierenden Marcos-Lager noch mehr Macht zuzuschanzen. Hatte die Vizepräsidentin bereits am 18. Oktober erklärt, die sterblichen Überreste von Exdiktator (1965–86) Ferdinand Marcos Sr., Vater des amtierenden Präsidenten, ausgraben und sie ins Westphilippinische Meer werfen zu lassen, sollte »die Hetzkampagne« gegen sie anhalten, legte sie am letzten Novemberwochenende nach. Sie habe, so Duterte wörtlich, bereits einen Attentäter engagiert, der Marcos, dessen Frau Liza Araneta und Martin Romualdez, den Sprecher des Repräsentantenhauses und Marcos’ Cousin, töten werde, sollte sie selbst Opfer des Marcos-Clans werden. »No joke, no joke«, setzte sie drohend hinzu

Expräsident Duterte hatte seine Kritiker derweil lange im unklaren gelassen, ob und wann auch er persönlich vor dem Senat und dem Repräsentantenhaus erscheinen werde. Als er dort schließlich am 28. Oktober und am 13. November auftrat, glich das einem wohlkalkulierten Affront gegen Recht und Ordnung. Seine vernichtende Kritik an der bisherigen Regierungspolitik enthielt den Aufruf an die Streitkräfte, sie sollten angesichts einer »gebrochene Regierungsführung« ihre Loyalität überdenken.

In den Hearings beider Kammern des Kongresses bestätigte Duterte überdies die Existenz von Todesschwadronen. Er allein trage die »volle rechtliche Verantwortung« für den von ihm geführten »Antidrogenkrieg«. Die Frage, ob er der Polizei direkt befohlen habe, des Drogenhandels Verdächtige zu töten, bejahte er unmissverständlich und ohne einen Anflug von Reue. Und er fügte hinzu, er habe Polizisten sogar angewiesen, Verdächtige zum Gegenangriff zu provozieren, damit die Beamten sich auf »Selbstverteidigung« berufen konnten. Duterte genoss sichtlich seine mehrstündigen Auftritte im Senat und im Repräsentantenhaus – wohl wissend, dass er dort trotz teils vager und widersprüchlicher Ausführungen in der ihm eigenen schnoddrig-anmaßenden Weise eben nicht vor einem ordentlichen Gericht stand. Er machte sich sogar lustig darüber, dass bislang keinerlei offizielle Anklage gegen ihn erwirkt wurde.

»Die verbale Gewalt kann einem das Blut in den Adern gefrieren lassen«, kommentierte Maria Ceres P. Doyo, Kolumnistin der in Manila erscheinenden Tageszeitung Philippine Daily Inquirer am 29. November, »insbesondere wenn ein ehemaliger Präsident der Republik in einer Senatsanhörung und anderswo zugibt, nicht nur einen, sondern mehrere Menschen persönlich getötet und den Mord an unzähligen anderen befohlen zu haben. Die Morde an den unzähligen anderen wurden sowohl von Zivilisten als auch von Personen in Uniform begangen, die er reichlich belohnt hatte. (…) Ob übertrieben oder nicht, Duterte hat nie mit seinem mörderischen Engagement gegeizt, sei es, jemanden von Bord eines Hubschraubers ins Meer zu werfen oder jemanden selbst zu erschießen.«

Man darf gespannt sein, ob und wie lange solche surrealen Politszenen die Öffentlichkeit noch außerhalb eines ordentlichen Gerichts beschäftigen werden.

Hintergrund: Streit um Inseln

Noch unter Marcos’ Amtsvorgänger Rodrigo Duterte sah es so aus, als wollten die Philippinen sich um bessere Beziehungen zur Volksrepublik bemühen. Davon kann derzeit keine Rede sein. Der Inselstaat scheint fest eingebunden in die Strategie der USA, im Südchinesischen Meer eine Front gegen China zu errichten. Mitte November schlossen US-Verteidigungsminister Lloyd Austin und sein philippinischer Amtskollege Gilberto Teodoro in Manila ein Abkommen über den Austausch geheimer Militärinformationen. Die Vereinbarung soll die Interoperabilität der Streitkräfte beider Staaten erhöhen, also die Fähigkeit, gemeinsam Kriege zu führen. Zusätzlich erhielten die Philippinen damit Zugang zu Hightechrüstungsgütern aus US-Produktion.

Mittlerweile hat sich der Konflikt um Inseln, Sandbänke und Riffe, den die Philippinen und China austragen, zugespitzt. In Manila traten am 8. November zwei Gesetze in Kraft, in denen einerseits festgelegt wird, welche Inseln und Seegebiete die Philippinen als die ihren betrachten, und andererseits welche Seewege Schiffe fremder Staaten nehmen sollen, wenn sie die von Manila beanspruchten Meeresgebiete durchqueren. Die Volksrepublik legte prompt Protest ein, da sich die philippinischen Ansprüche mit ihren überschneiden. Aber auch in Kuala Lumpur war man über die Gesetze aus Manila alles andere als erfreut. Die Philippinen reklamierten mit den neuen Bestimmungen auch Territorien, die zu Malaysia gehörten. Dabei geht es nicht nur um Inseln im Südchinesischen Meer, sondern auch um Malaysias Bundesstaat Sabah, der im Norden der Insel Borneo liegt. Manila beansprucht Teile von Sabah mit der Begründung, der letzte Sultan von Sulu, Jamalul Kiram II., der von 1894 bis 1915 herrschte, habe das Gebiet einst den Philippinen übertragen. Ferdinand Marcos, der Vater des jetzigen philippinischen Präsidenten, erwog gar die militärische Annexion des Territoriums. Die Gebietsforderung wurde bis heute nicht aufgegeben. (jW)

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