»Der Konzern bevorzugt die billigste Lösung«
Interview: Gitta DüperthalDer Braunkohletagebau im Hambacher Wald war mehrmals von der Rodung bedroht. Im Oktober 2018 urteilte das Oberverwaltungsgericht Münster, es dürfe vorerst nicht mehr gerodet werden. Wieso haben jetzt wieder Menschen Baumhäuser errichtet?
Der Kohlekonzern RWE will dort roden, um in dem Tagebau einen großen künstlichen See zu schaffen. Am 24. November haben wir am Rand des Tagebaus mit etwa 300 Leuten eine »Rote Linie« gezogen. Es gibt eine Infrastruktur mit Küche und Schlafgelegenheiten, sonntags eine Mahnwache. Einst waren wir im »Hambi« Hunderttausende. Wir wollen wieder große Öffentlichkeit für den bedrohten Wald schaffen.
Wie gelingt Ihnen die Mobilisierung?
Auch wenn es aktuell schwierig ist, Menschen zu überzeugen, gegen die Waldvernichtung zu demonstrieren, arbeiten wir daran. Die aktuellen Krisen von Kriegsgefahr bis Klimakatastrophe lassen viele resignieren. Menschen sind frustriert oder traumatisiert, weil sie Polizeigewalt erlebt haben, etwa bei der Räumung Lützeraths im Jahr 2023. Trotzdem ist ein Teil des Waldes jetzt wieder von mutigen jungen Menschen besetzt.
Mit dem Urteil von 2018 hieß es, der Wald sei »gerettet«.
Das Urteil war damals unser Erfolg, der Jubel groß. Ursprünglich sollte die Braunkohle bis 2045 gefördert werden, dann nur noch bis 2029. Der Rodungsstopp bezog sich auf das ehemals besetzte Waldstück des »Hambi«; nicht aber auf umliegende, übrig gebliebene Waldgebiete. Ursprünglich sollten letztere miteinander vernetzt werden, um das Überleben des gesamten Waldes zu sichern. Schöne Idee, aber daraus wurde nichts: Die Bagger standen damals noch bis zu 300 Meter vor der Waldkante: Jetzt sind es nur noch bis zu 50 Meter. Das Thema verschwand aus dem Blick der Öffentlichkeit. Im Fokus steht nun das um das Kerngebiet des »Hambi« herumliegende, fast sieben Hektar große sogenannte Manheimer Sündenwäldchen, mit alten Buchen und Fledermausquartieren.
Was hat es mit den Konzernplänen auf sich?
Laut Plänen aus den 1970er Jahren will RWE einen gigantischen See modellieren. Das größte von Menschen geschaffene Loch Europas ist acht mal zehn Kilometer groß und fast 500 Meter tief. Weil Böschungen teilweise zu steil sind, um den See zu stabilisieren, sind Sand und Kies nötig. Um Material dafür zu haben, vernichtet RWE jetzt Wälder, Wiesen und landwirtschaftliche Flächen. 2025 beginnt der Bau einer Riesenpipeline, um Rheinwasser hineinfließen zu lassen. Wir haben aber nicht mehr 1970, sondern 2024 – und eine die Menschheit bedrohende Klimakrise.
Was wären die Folgen für die Region?
Rheinwasser hat bekanntlich nicht die beste Qualität. Lässt man es in ein Erdloch hineinfließen, wird es bei hohen Temperaturen im Sommer verdunsten. Wasserwissenschaftler warnen, das könne die Trinkwasserversorgung zwischen Aachen und Düsseldorf massiv gefährden. Würde schadhaftes Wasser zufließen, müssten Trinkwasserbrunnen schließen. Wir fordern, die durch Braunkohleflöze des Tagebaus Hambach entstandene Abraumhalde »Sophienhöhe« in das Loch zu schütten, um es zu verkleinern. Der Konzern aber bevorzugt die für ihn billigste Lösung, das ist alles.
Bei Kritik verweist RWE auf den vom Braunkohleausschuss bei der Bezirksregierung Köln genehmigten Braunkohleplan, der aktuell der Landesregierung in Nordrhein-Westfalen vorliegt.
Seit Jahrzehnten ist es in NRW so üblich: Die Behörden, das Oberbergamt und die politische Ebene nicken die Konzernpläne ohne Einwände ab. Aktuell hat RWE eine Betriebsgenehmigung bis Ende Dezember 2024. Die läuft jetzt aus. Vermutlich wird aber wie in Vorjahren zwischen Weihnachten und Neujahr eine neue Genehmigung erteilt und weiter gebaggert und gerodet. Es kann nicht sein, dass alle weiter an den Plänen für diesen See festhalten. Gigantische Mengen Geld fließen in den Strukturwandel; nur um weiter Wälder und damit unsere Lebensgrundlage zu zerstören. Wir müssen statt dessen aufforsten. Noch ist es nicht zu spät, RWE zu stoppen.
Michael Zobel ist Naturführer, Waldpädagoge und Aktivist
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!
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Leserbrief von Anke Konietzny aus Düsseldorf (6. Dezember 2024 um 10:21 Uhr)Die Künstlerin Silke Schatz hat eine Petition gestartet, um die Mannheimer Bucht zu verhindern und das Sündenwäldchen zu retten: https://weact.campact.de/petitions/fur-die-rettung-manheims-stoppt-die-geplante-rodung-des-manheimer-waldchens Die entwidmete Kirche von Mannheim gehört RWE und verrottet langsam. Die letzte Handvoll Bewohner ist in Verkaufsverhandlungen mit RWE. Der restliche Ort existiert nicht mehr. Alles ist dem Erdboden gleich gemacht. Darauf hat sich Vegetation ausgebreitet und Tiere erobern den frei gewordenen Lebensraum zurück. Silke Schatz beobachtet die Entwicklung und verarbeitet sie künstlerisch. Sie bietet auch ambitionierte Exkursionen an. Und wieder soll alles im Loch verschwinden, weil RWE billig an handelbaren Sand und Kies sowie an Abraummaterial gelangen will. Enteignung zu Gunsten einer Privatfirma zur Sicherstellung der Energiesicherheit durch Kohle erlaubt ein deutsches Gesetz. Enteignung zur Gewinnung von Erdmassen erlaubt kein deutsches Gesetz. Trotzdem droht RWE schamlos damit und die Kontrollbehörden erlauben, was beantragt wird. Das alles geschieht nicht in einer fernen, korrupten Diktatur, sondern in Deutschland vor meiner Haustür anno 2024. Bitte unterschreibt die Petition!
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