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Aus: Ausgabe vom 06.12.2024, Seite 8 / Ansichten

Sonnenkönig im Schatten

Regierungssturz in Frankreich
Von Hansgeorg Hermann
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Für einen Moment schien es am vergangenen Wochenende, als sei der Emmanuel Macron der ersten Jahre zurück. Drei Tage Staatsbesuch in Riad, Gespräche von Mann zu Mann: der französische Präsidentenkönig bei Mohammed bin Salman, dem saudiarabischen Fürsten der Finsternis. Etwa zur gleichen Zeit kam die Nachricht, dass Macron Donald Trump übers Wochenende nach Paris zur glänzenden Wiedereröffnung der vor fünf Jahren bis auf die steinernen Mauern niedergebrannten Kathedrale Notre-Dame eingeladen hat. Frommes Volk zuhauf und zwei Herrscher, vereint in der Idee, viel auf das Kapital und ein bisschen auf den Allerhöchsten zu setzen, wenn es um den Erhalt irdischer Macht geht.

Doch dann verblasste am Mittwoch bei Einbruch der Nacht der im fernen Wüstenstaat nach erfolgreichem Waffenhandel verbreitete Glanz in der französischen Nationalversammlung. Dort kehrte eine satte Mehrheit mit Michel Barnier des Präsidenten bravsten Diener aus dem Plenarsaal, als sei damit endlich ein lästiges Übel der Fünften Republik beseitigt: die von der Verfassung gegebene, in der Tat nahezu uneingeschränkte Machtstellung des Präsidenten – Macrons in diesem Fall, der sich in den vergangenen sieben Jahren ungebremst zum Autokraten und Verächter des Parlamentarismus entwickelt hat.

Jetzt muss er wieder dort beginnen, wo er im vergangenen Juni schon einmal war, als er zum Erstaunen seiner Freunde in den Chefetagen der größten Unternehmen des Landes das Parlament aufgelöst hatte. Das Ergebnis war eine Koalition seiner Minderheitsformation »Ensemble« mit der bürgerlichen Rechten – die von ihm so getaufte »Republikanische Basis« –, die sich mit den Ultras des Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen verbündete, um Barnier zu halten. Den ließ der RN genau drei Monate zappeln, bevor er ihn vorgestern abschoss.

Macron, ein begeisterter Leser des Honoré de Balzac und dessen »Comédie Humaine«, hat offenbar nicht viel gelernt aus seiner Lektüre. Wie Rastignac, einer der Protagonisten der Komödie, setzte er – am Ende meist vergeblich – auf menschliche Niedertracht: Der Wahlgewinner vom Juli, die linke Volksfront, sollte sich mit seinem Zutun von Innen heraus selbst zerstören. Hoffen durfte er dabei auf politisch labile Figuren wie den Sozialdemokraten und früheren Präsidenten François Hollande oder auch Yannick Jadot, die »Galionsfigur« der Grünen in Frankreich. Bisher konnte allerdings keiner der beiden das linke Bündnis sprengen, ihre beiden Parteien wie geplant den Macronisten zutreiben und der »Republikanischen Basis« damit eine Mehrheit beschaffen. Die seit Juni in diese Richtung zielende Strategie Macrons ist ohne Erfolg geblieben. Am Mittwoch abend hat sich das Parlament statt dessen ein Stück Unabhängigkeit vom Präsidenten zurückerobert.

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  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (6. Dezember 2024 um 10:23 Uhr)
    Emmanuel Macron liebt den Überraschungscoup – eine Strategie, die er einst äußerst erfolgreich nutzte: Mit einer radikalen Reformbewegung aus dem Nichts wurde er 2017 zum jüngsten Präsidenten Frankreichs gewählt. Seine unkonventionelle Energie und sein optimistischer Zukunftsgeist trafen damals den Nerv der Zeit, eine erfrischende Antwort auf den tief sitzenden Pessimismus im krisengeschüttelten Frankreich und im von der Finanzkrise geprägten Europa. Doch die politische Realität hat das einstige Wunderkind längst entzaubert. Weder Frankreich noch Europa hat er tiefgreifend reformieren können. Der einst gefeierte Visionär ist vielen Franzosen inzwischen ein Dorn im Auge: Was einst als mitreißende Kreativität à la Macron gefeiert wurde, erscheint heute oft als irritierende Unruhe – eine Mischung aus realitätsferner Selbstüberschätzung und impulsiven Entscheidungen, die nicht selten fatale Konsequenzen für Frankreich und ganz Europa nach sich ziehen. Selbst wenn es Macron gelingen sollte, bald eine neue Regierung zu bilden, bleibt die erträumte zentristische Mehrheit wohl außer Reichweite. Frankreich ist tiefer gespalten denn je, politisch kaum führbar und strukturell schwer reformierbar – und das in einer Zeit, die genau das dringend erfordern würde.

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