Englische Presse im Streik
Von Dieter ReinischEs reicht! Vier Tage lang wollen die Journalisten bei der britischen Traditionszeitung Guardian und ihrer Sonntagsausgabe Observer im Dezember streiken. Am Donnerstag ging der zweite Streiktag zu Ende. Kommenden Mittwoch und Donnerstag werden sie dann abermals die Arbeit niederlegen. Die Angestellten protestieren damit gegen den Verkauf der Sonntagszeitung Observer an die Mediengruppe Tortoise Media. Sie befürchten, dass es durch die geplanten Kürzungen zu einer schrittweisen Einstellung des Mediums kommt. Dagegen wollen sie sich wehren. Zuletzt wurde beim Guardian im Zuge des Generalstreiks 1971 die Arbeit niedergelegt.
Im September hat Tortoise Media der Guardian Media Group ein Angebot für den Observer vorgelegt, das diese annehmen möchte. Die Verkaufssumme ist allerdings nicht bekannt. Die BBC berichtete am Mittwoch, Tortoise Media hätte angeboten, über die kommenden fünf Jahre insgesamt 25 Millionen Pfund Sterling (30 Millionen Euro) »in die Überarbeitung der redaktionellen Linie und der wirtschaftlichen Basis« zu investieren. Der Observer ist die älteste noch existierende Sonntagszeitung der Welt. Ein Prestigeblatt also.
Tortoise Media wurde 2018 vom ehemaligen BBC-Direktor und Times-Redakteur James Harding gemeinsam mit dem ehemaligen US-Botschafter in Großbritannien, Matthew Barzun, gegründet. Der 4. Dezember, als der aktuelle Streik begann, war zugleich der 223. Jahrestag des erstens Erscheinens des Observer. Die Arbeitsniederlegung wird von der britischen Journalistengewerkschaft NUJ unterstützt, die am ersten Tag Kundgebungen vor dem Redaktionsgebäude in Kings Cross organisierte, an denen sich Hunderte Mitarbeiter und eine große Anzahl an Unterstützern beteiligten.
Die designierte Generalsekretärin der NUJ, Laura Davison, kritisierte, dass es weder über den Verkauf noch über die Pläne der neuen Eigentümer irgendwelche Gespräche mit den Beschäftigten gegeben hätte. Nach Einschätzung der Gewerkschaft ist das Wirtschaftsmodell der nach Startup-Methode arbeitenden Tortoise Media nicht tragbar für eine Zeitung wie den Observer. Sie befürchtet daher, dass der Observer von den neuen Eigentümern schrittweise verkleinert, der Printverkauf eingestellt und schlussendlich gänzlich verschwinden werde. »Die überwältigende Zustimmung bei der Abstimmung über den Streik zeigt den Wunsch der Journalisten, ihre kollektiven Sorgen um die Zukunft des Titels den Lesern und den Verantwortlichen sichtbar zu machen«, so Davidson. Der Observer nehme einen einzigartigen und wichtigen Platz im öffentlichen Leben ein, »unseren Mitgliedern liegt das nächste Kapitel seiner Geschichte am Herzen«. Die Gewerkschaft fordert eine Unterbrechung der nichtöffentlichen Gespräche zwischen Guardian Media Group und Tortoise Media, »um mehr Zeit zu haben, Alternativen zu prüfen und sicherzustellen, dass die Entscheidungen im besten Interesse beider Titel sind«, erklärte sie zu Streikbeginn.
Am ersten Streiktag schlossen sich viele dem Protest an, darunter der Vorsitzende des Gewerkschaftsverbandes, Paul Nowak, der Chef der Eisenbahngewerkschaft, Mick Lynch, und auch einige linke Parlamentsabgeordnete zeigten ihre Solidarität durch ihr Erscheinen, etwa John McDonnell, Rebecca Long-Bailey, Andrew Pakes und Steve Witherden. Auch Jeremy Corbyn schickte Solidaritätsgrüße.
Ein Sprecher des Guardian sagte wiederum laut BBC am Mittwoch nachmittag, man sei sich zwar der starken Gefühle hinsichtlich des geplanten Verkaufs bewusst und schätze es, dass die Mitglieder der NUJ Gehör verschaffen wollten, doch glaube man zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht, dass ein Streik die beste Vorgehensweise sei. In den vergangenen Jahren nahmen aufgrund von Einsparungen, Verkäufen, Kündigungen und Auslagerungen an PR-Unternehmen die Arbeitskämpfe im britischen und irischen Journalismus beträchtlich zu. Bei der Zeitungsgruppe Reach PLC, die Hunderte Regionalzeitungen herausgibt, wurde mehrmals die Arbeit niedergelegt.
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