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Aus: Ausgabe vom 07.12.2024, Seite 6 / Ausland
Fritz Edlinger

Der letzte Kreiskyaner

Nachruf: Zum Tod des Publizisten, Buchautors und Friedensaktivisten Fritz Edlinger
Von Helga Baumgarten und Dieter Reinisch
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Bis zuletzt aktiv: Fritz Edlinger bei der Eröffnung der Palästinensischen Filmwoche (Wien, 26.11.2024)

Noch am Montag abend besprach Dieter Reinisch die neue Ausgabe der Zeitschrift International mit ihrem Herausgeber Fritz Edlinger. Wie zuletzt häufig, fielen dabei die Worte: »Die Ausgabe ist jetzt schon wieder bummvoll.« Seit langem sind wir beide publizistisch mit der Zeitschrift verbunden – Dieter Reinisch als Redaktionsmitglied und Helga Baumgarten als Kolumnistin und langjährige Autorin – vor allem aber auch persönlich mit Fritz als Freund. Zuletzt sahen wir uns zu dritt am 23. September in Wien, als Helga Baumgarten ihr neustes Buch über Palästina vorstellte. Intensiv unterhielten wir uns über die politische Lage im Nahen Osten, die europäische Außenpolitik sowie die Palästina-Solidarität in Österreich. Fritz lebte für sein publizistisches und aktivistisches Engagement für den arabischen Raum, bis zuletzt.

In der Nacht auf den 4. Dezember 2024 verstarb der österreichische linke Sozialdemokrat, Publizist und Buchautor nach einer dringend notwendig gewordenen Operation in einem Wiener Krankenhaus. Fritz lebte für den politischen Journalismus, förderte bis zuletzt Kulturprojekte und setzte sich für eine friedliche Welt ein. Noch am vergangenen Dienstag sprach er bei der Eröffnung der von ihm organisierten palästinensischen Filmwoche im Votivkino in Wien.

1948 geboren, trat Fritz Edlinger bereits in jungen Jahren der Sozialistischen Partei Österreichs bei, der er zeitlebens die Treue hielt – auch wenn sich seine Partei von ihren Grundsätzen über die Jahrzehnte immer weiter entfernte, wie er vor allem in den letzten Monaten in persönlichen Gesprächen immer wieder betonte. »Ich bin Kreiskyianer«, unterstrich er dann. In den 1970er Jahren war er Vorsitzender der sozialistischen Jugendinternationale und ein enger Weggefährte und Berater des damaligen Bundeskanzlers Bruno Kreisky.

»Wenn es bei den aktuellen Koalitionsverhandlungen so weiterläuft, dann wird es eine ordentliche Bombe geben«, sagte er zuletzt mehrmals. Die Sozialdemokratie habe sich zu weit von ihren traditionellen Grundsätzen entfernt, der aktiven, Frieden fördernden Neutralität. Auf der Friedensdemonstration in Wien am 21. September griff er die Partei scharf an.

Regelmäßig betrat er die Bühne bei Demonstrationen in Solidarität mit Palästina und gegen den Militarismus in Europa. Noch am 16. November griff er beim Protest des Palästina-Komitees die österreichische Außenpolitik scharf an. Seine starke Bindung zum arabischen Raum bildete sich in den 1970er Jahren heraus, geprägt von der solidarischen und aktiven Außen- und Neutralitätspolitik Kreiskys, auf die Fritz immer mit Stolz zurückblickte.

Österreich als neutraler Staat mit UN-Sitz und anderen hier beheimateten internationalen Organisationen sollte ein Brückenkopf für den Dialog mit dem globalen Süden sein. Dies sah er als politischen und publizistischen Auftrag. Dafür gründete er die auf internationale Politik spezialisierte International, war jahrzehntelang ihr Chefredakteur und fungierte als Herausgeber einer großen Anzahl von Büchern über Nordafrika, den Nahen Osten und die Arabische Halbinsel. Daneben fand er noch Zeit, um kritische Gastkommentare zur österreichischen Außenpolitik für unterschiedliche Tageszeitungen zu verfassen. So kritisierte er erst vor wenigen Wochen in Die Presse in einer Replik den israelischen Botschafter in Österreich vehement.

Auch in der Gesellschaft für Österreichisch-Arabische Beziehungen (GÖAB) und der Österreichisch-Marokkanischen Gesellschaft fungierte Fritz als Generalsekretär. Als vergangenes Jahr ein verheerendes Erdbeben große Teile der Bergregion Marokkos verwüstete, zögerte er nicht lange und organisierte kurzerhand ein Benefizkonzert für die Hinterbliebenen und Opfer der Katastrophe. Auf der Webseite der GÖAB veröffentlichte Fritz auch die »Briefe aus Jerusalem«, die Helga Baumgarten für jW schreibt und ergänzte sie mit persönlichen Anekdoten und eigenen Gedanken. In den vergangenen Wochen meinte er in Gesprächen und schriftlichem Austausch per E-Mail mehrmals, dass er ziemlich kaputt und überarbeitet sei und gesundheitliche Probleme habe, vor allem die Lunge machte ihm zu schaffen. Helga sagte ihm sehr deutlich: »Fritz, du weißt, was mit Mustafa Al-Kurd (palästinensischer Liedermacher, der im Februar an COPD starb) passiert ist. Pass auf dich auf. Trete kürzer. Verpflichte den Nachwuchs, damit sie mehr von deiner Arbeit übernehmen.« Heute bleiben die vielen Konzerte in Erinnerung, die Fritz für Mustafa in Wien organisierte, immer kombiniert mit einem Vortrag von Helga zur aktuellen Situation in Palästina.

Mit Fritz Edlinger verliert Österreich eine wichtige Stimme und einen fähigen Fürsprecher der Verständigung mit der arabischen Welt. Es verliert einen engagierten politischen Publizisten und einen wichtigen Friedensaktivisten, der bis zuletzt fest davon überzeugt war, dass ein aktives, neutrales Österreich wieder zentraler Baustein für die Beendigung der Kriege weltweit werden kann. Am Montag abend sagte Fritz am Ende des Telefonats noch, er könne derzeit schwer atmen und werde zum Arzt gehen, sich untersuchen zu lassen: »Ruh dich aus, Fritz«, waren Dieter Reinischs letzte an ihn gerichteten Worte.

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  • Leserbrief von Maria Höfling aus Bad Wiessee (10. Dezember 2024 um 11:58 Uhr)
    Ein Riesenverlust! Ich hatte das Glück und die Ehre, mit ihm im E-Mail-Kontakt zu stehen. Ich hatte seine Tätigkeit von Bayern aus verfolgt und ihm geschrieben. Daraus hat sich ein Austausch über Palästina, Demokratieabbau und die Rolle der Medien entwickelt. Er hinterlässt eine Lücke, die nicht zu schließen ist. Wenigstens musste er die jüngsten Ereignisse nicht mehr miterleben, die die Vernichtung des palästinensischen Volkes beschleunigen bedeuten.

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