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Aus: Ausgabe vom 11.12.2024, Seite 1 / Titel
Krieg in Syrien

Bombenhagel auf Syrien

Hunderte israelische Luftangriffe auf Militäreinrichtungen. Türkische Söldner erobern Manbidsch und marschieren auf Kobani zu.
Von Nick Brauns
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Trümmer auf dem internationalen Flughafen von Kamischli nach israelischen Luftangriffen am Dienstag

In Syrien wurde drei Tage nach dem Sturz von Präsident Bashar Al-Assad am Dienstag der geschäftsführende Premierminister einer Übergangsregierung ernannt. Der gelernte Elektroingenieur Mohammed Al-Baschir steht der am Wochenende in der Hauptstadt Damaskus einmarschierten Dschihadistenallianz Haiat Tahrir Al-Scham (HTS) nahe. Er leitete bereits deren »Syrische Heilsregierung« in der Provinz Idlib, unter deren Herrschaft Greueltaten gegen Minderheiten verübt wurden. Die aus der Al-Qaida hervorgegangene HTS unter ihrem Anführer Mohammed Al-Dscholani schickt sich an, den weitgehend erhaltenen Machtapparat des syrischen Staates zu übernehmen. Am Dienstag veröffentlichte der Sender Al-Mayadeen Aufnahmen, die die Exekution von vermeintlichen Assad-Loyalisten durch HTS-Milizionäre in der Provinz Latakia zeigen sollen. Dies lässt befürchten, dass die neuen Herrscher trotz gestutzter Bärte keineswegs Kreide gefressen haben.

In der Nacht zum Dienstag intensivierte zudem die israelische Armee ihre Luftangriffe auf Syrien. Zerstört wurden bei rund 250 Bombardierungen innerhalb von 48 Stunden Militäreinrichtungen, Luftwaffenstützpunkte, Hafenanlagen und Forschungsstätten sowie Waffen der sich teilweise in Auflösung befindenden syrischen Streitkräfte. Der Sender Al-Dschasira zeigte Aufnahmen von Kriegsschiffen, die im Hafen von Latakia versenkt wurden. »Strategische Waffensysteme« würden »zum Schutz israelischer Bürger« zerstört, »damit sie nicht in die Hände von Extremisten fallen«, hatte Israels Außenminister Gideon Saar das Vorgehen am Montag gerechtfertigt. Der Spiegel rechtfertige derweil den Einmarsch und die Okkupation syrischen Territoriums durch israelische Bodentruppen in der bisherigen Pufferzone an den annektierten Golanhöhen als »Vorwärtsverteidigung«.

Von der israelischen Luftwaffe zertrümmert wurden auch der Flughafen und Waffendepots in der zur Autonomieverwaltung von Nord- und Ostsyrien gehörenden Stadt Kamischli. Diese bislang von Regierungstruppen kontrollierten Einrichtungen in einer Enklave der Großstadt waren erst am Wochenende unter Kontrolle der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDK) gekommen. Während die Lager mit der von den kurdischen Kämpfern zur Selbstverteidigung dringend benötigten Munition noch brannten, forderte der israelische Außenminister Gideon Saar am Dienstag heuchlerisch: »Die Angriffe auf die Kurden müssen gestoppt werden!« Gemeint waren die Angriffe der Türkei. So mussten sich die SDK am Dienstag aus der seit Tagen schwer umkämpften Stadt Manbidsch zurückziehen. Die Stadt westlich des Euphrat war angesichts der Luft- und Artillerieangriffe der türkischen Armee nicht mehr zu halten, zudem hatten wohl Überläufer aus dem örtlichen Militärrat der eindringenden sogenannten Syrischen Nationalarmee (SNA) den Weg gebahnt.

Dass dieser Söldnertruppe im Dienste Ankaras auch Kämpfer des »Islamischen Staates« (IS) angehören, war in einer Livesendung des türkischen Fernsehensenders Haber Türk am Montag abend zu sehen. Die interviewten Milizionäre an einem Checkpoint bei Manbidsch trugen das schwarze Abzeichen der Dschihadistenorganisation ganz offen. Nächstes Ziel dieser Truppe ist Kobani. Die türkische Luftwaffe flog am Dienstag bereits Angriffe auf die kurdische Stadt, die vor zehn Jahren zum weltweit bekannten Symbol des Widerstands gegen den IS geworden war.

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  • Leserbrief von Gerd-Rolf Rosenberger aus Bremen (16. Dezember 2024 um 11:29 Uhr)
    Die Dschihadistischen Söldnertruppen an einem Checkpoint bei Manbidsch tragen ihr schwarzes Abzeichen ganz offen, die türkische Luftwaffe flog bereits Angriffe gegen die kurdische Stadt Kobani, die für uns Antiimperialisten vor 10 Jahren zum weltweit bekannten Symbol des Widerstands gegen den IS geworden war. Und Kriegsminister Pistorius will eine stärkere Partnerschaft und Stabilität, mehr Soldaten der Bundeswehr im Irak haben. Ausgerechnet die BR Deutschland. Niemals vergessen wir, dass am 16. März 1988 das Regime von Saddam Hussein Giftgas über der kurdischen Stadt Halabdscha abwarf, über 5000 Menschen erstickten qualvoll. Das Gas für den Massenmord kam aus Westdeutschland. Vier Jahrzehnte nach Auschwitz exportierten deutsche Kapitalisten diese Technologie zur Produktion von Giftgas in den Irak. Bekannt ist, dass Deutsche, darunter zahlreiche Mitarbeiter des BND, in den Giftgasanlagen an der Weiterentwicklung der SCUD-Raketen und auch am irakischen Atomprogramm arbeiteten. Bis heute wurde nicht aufgeklärt, was die damalige Bundesregierung davon wusste. Die Bundeswehr taugt gar nichts für Partnerschaft, im Irak hat sie nichts zu suchen. Vielmehr muss die politische Klasse endlich dafür sorgen, dass Entschädigungszahlungen an Tausenden von Giftgasopfern gezahlt werden. Solidarität mit Kuba und den Kurdischen Völkern bleibt unsere Zärtlichkeit!
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Rainer Erich K. aus Potsdam (12. Dezember 2024 um 07:57 Uhr)
    Die Verbrecher sind auf dem Vormarsch, und niemanden scheint das zu stören. Die Systemmedien dienen sich den Herrschenden an und sind, was die objektive Einschätzung der internationalen Lage anbetrifft, ein Totalausfall. Die Polit-Bonzen im Westen, wie in der BRD, sind sich jedenfalls einig, wenn es um die Reinwaschung eines blutrünstigen Zionismus im Nahen Osten geht. Sie gerieren sich als Netanjahus Kumpanen, liefern Waffen und Propaganda, damit dieser seinen Mordfeldzug vor den Augen der Weltöffentlichkeit fortführen kann. Das ist der blanke Antisemitismus, denn auch wenn der Staat Israel diesen Begriff glaubt, für sich gepachtet zu haben, ist er auch dann zu beklagen, wenn offen gegen die arabische Ethnie Krieg geführt wird. Wie heuchlerisch und mit welcher Doppelmoral dieser Begriff hierzulande missbraucht wird, kann man an der gegenwärtigen Situation mit Abscheu zur Kenntnis nehmen. Der brutale Angriffskrieg des zionistischen Kartells gegen den souveränen Staat Syrien und die geplante Einverleibung des Golans sind ein Kriegsverbrechen, wie auch der Genozid an den palästinensischen Zivilisten. Dass dies im Westen keinen stört, kommt einem staatlich sanktionierten Verbrechen gegen die Menschlichkeit gleich.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Andreas E. aus Schönefeld (11. Dezember 2024 um 14:02 Uhr)
    Der Westen hat nichts gelernt oder will die Lehren nicht ziehen. Die NATO und ihr engster Verbündeter in dieser Region Israel jammern über ein zerstörtes Land und bombardieren es im gleichen Atemzug. Und man hofiert diejenigen »neuen Machthaber«, die man anderswo noch bekämpfte: Die Dschihadisten, hervorgegangen aus dem »Islamischen Staat«, sind jetzt die Helden. Sie beseitigten einen (angeblich) sein Volk tyrannisierenden Staatschef. Da werden Erinnerungen wach an das Jahr 2011 – in Libyen wurde Gaddafi auf diese Art beseitigt. Nur holt man hier nun auch noch die alte Chemiewaffenlüge hervor, die bereits 2018 widerlegt wurde. Israel marschiert über die Golanhöhen Richtung Damaskus und schießt sich den Weg mit deutschen Waffen und deutscher Munition frei. Ein weiterer Schritt Richtung Groß-Israel. Das NATO-Mitglied Türkei kann endlich seinen Hass gegen die Kurden voll ausleben. Und die USA ebnet das mit Bomben ein, was noch stand. Es wird ein Foltergefängnis nahe Damaskus gezeigt, ohne Insassen. Doch wer redet vom US-Foltergefängnissen im Irak (Abu Graib), wer redet von Guantanamo? Das syrische Volk hat nicht eine Knechtschaft beseitigt, es wird der Knechtschaft des wertebasierten Westens unterworfen. Jedoch geht es nur um eines – Rohstoffe. Der Wertewesten hat das schon einmal versucht – in Afghanistan. Dort wurden Millionen Menschen in einem blutigen Krieg zwischen den Taliban und den westlichen Kolonialisten getötet. 2021 ist man dann dort kläglich gescheitert. Also nun Syrien – das wird aber auf Grund der Unterschiedlichkeit der Machtinteressenten in diesem Land nicht einfacher – auch dieser Krieg gegen ein stolzes Volk wird scheitern – der Preis sind Blut, Menschenleben und Zerstörung. Und hier im Land debattiert man schon jetzt darüber, wann man die ganzen Syrer nach Hause abschiebt. Eben wertebasierte Politik.
  • Leserbrief von Lothar Böling aus Düren (11. Dezember 2024 um 08:04 Uhr)
    Ist das nicht toll!? Wer mit den USA verbündet oder NATO-Mitglied ist, kann machen, was er will, genießt faktisch militärische Narrenfreiheit. Dies gilt für die US-Imperialisten, wie für die Türkei und Israel. Alle drei bombardieren aktuell in Syrien, ohne dass sich der Westen empört. Die Türkei bombardiert die Kurden und Israel die wehrlose syrische Infrastruktur, Städte und Dörfer, während die US-Armee den bereits besiegten »Islamischen Staat« bombardieren. Ein echter Witz! Und das alles nur, damit ein jeder Aggressor seine eigene Gier stillen kann. Die USA wollen endlich an die syrischen Erdöl- und Gasvorkommen, die Türkei will einen kurdischen Staat verhindern und das Osmanische Reich auferstehen lassen, während Israel sein Siedlungsgebiet über die Golanhöhen auf Syrien ausweitet. Wie man sieht, alles lupenreine Kriegsverbrecher, für die Völkermord an Kurden, Syrern und Palästinensern ganz selbstverständlich ist. Wie schön, dass Deutschland und die EU mit diesen Verbrechern so eng befreundet sind und sie mit Geld und Waffen unterstützt. Das ist sie, die lauthals gepriesene, »wertebasierte Ordnung« des Westens in Reinkultur. Ein wahrer »Segen« für den Rest der Welt. Mit der NATO, unter Führung der USA, ist ein neues Zeitalter des Kolonialismus angebrochen. Wer sich den Eroberungsplänen der größten Angriffsarmee der Welt, mit ihren 3,42 Mio. Soldaten widersetzt, wird mit allen Mitteln beseitigt. Man bedient sich Söldnern, Terroristen und Faschisten, um Regierungen zu stürzen. Geld ist ja genug da. Vom Selbstbestimmungsrecht der Völker, von Freiheit und Demokratie, weit und breit keine Spur. Ein jeder nehme sich, was er kann! Das ist Staatsterror, Rassismus und Raubtierkapitalismus in höchster Vollendung. Ach ja, war nicht eigentlich Assad der Tyrann? Was die Medien täglich verbreiten, ist nichts anderes als Hetze und Propaganda gegen alle, die sich nicht unterwerfen wollen. Mit unabhängiger, objektiver Berichterstattung hat das schon lange nichts mehr zu tun.
  • Leserbrief von Ronald Prang aus Berlin (10. Dezember 2024 um 21:36 Uhr)
    35 Jahre ist es her, dass die Menschen im realexistierenden Sozialismus aufstanden und mehr Demokratie forderten, was sie bekamen, war der Kapitalismus, der ihnen als »Freiheit« verkauft wurde. Ja, wir haben die Meinungsfreiheit, solange der Kapitalismus nicht (!) in seinen Grundlagen angetastet wird. Und sonst? Mehr Faschisten im Bundestag und in Landesparlamenten als vor 100 Jahren, und da ist Deutschland noch (!) ein verhältnismäßig positives Beispiel global betrachtet. Krieg um uns herum, wohin auch immer wir blicken. Ein mit internationalem Haftbefehl gesuchter israelischer Staatschef und sein ebenfalls gesuchter Kriegsminister überfällt seine Nachbarn, einen nachdem anderen. Das ist Öl ins Feuer des Antisemitismus und so profitieren wieder die Falschen. Der Nationalismus ist in Europa auf dem Vormarsch und auch schon an der Macht, das ist aber auch nur der erste Schritt in autoritäre und offen faschistische Systeme. Trump ist noch nicht einmal »inthronisiert«, dann heißt Globalisierung nur noch: Unterwerfung der Welt den US-amerikanischen Konzernen. Deshalb und nur deshalb ist China meine letzte Hoffnung, inwieweit China sozialistisch ist, kann ich nicht beurteilen. Wie könnte die Welt aussehen, wenn wir den Kalten Krieg nicht verloren hätten? Alle reden von »Freiheit« und meinen damit, dass Demokratie und Kapitalismus Synonyme seien, nur stimmt es nicht. Freiheit aller Menschen entsteht erst dann, wenn man Demokratie und Sozialismus vereint. Ein heruntergewirtschaftetes Bildungssystem ist damit von existenzieller Bedeutung für ein kapitalistisches Wirtschaftssystem, daher auch der Fachkräftemangel. Bildung kostet Geld und fördert logisches Denken und ist damit in einer kapitalistischen Gesellschaft systembedrohend. Da bleibt nur noch der »böse Russe« der Deutschland bedroht, der Chinese ist zu weit weg. Das hat sogar Trump erkannt und ist deshalb so auf Taiwan fixiert. Demokratie und Sozialismus, ein schöner Traum, 1989 verspielt.

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