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Aus: Ausgabe vom 11.12.2024, Seite 2 / Inland
Abschiebung verhindert

»Eine wichtige und stärkende Erfahrung«

Bremen: Spontane Aktion verhindert Abschiebung. Ein Gespräch mit Gundula Oerter
Interview: Ariane Müller, Bremen
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Der Schutz für Geflüchtete unter dem Dach der Kirche muss wieder verstärkt verteidigt werden (3.8.2023)

Am 2. Dezember 2024 versuchte die Bremer Polizei, den Geflüchteten Ayub I. aus Somalia gewaltsam aus dem Kirchenasyl in der Zionsgemeinde in der Bremer Neustadt herauszuholen. Wer ist für diese versuchte Abschiebung verantwortlich?

Für den Angriff sind eindeutig SPD-Innensenator Ulrich Mäurer und das Migrationsamt Bremen verantwortlich. Seine Behörde hat den Bruch des Kirchenasyls gezielt vorbereitet un – glücklicherweise erfolglos – versucht, vier Tage vor Ende der sechsmonatigen Überstellungsfrist Ayub gewaltsam aus der Kirchengemeinde herauszureißen.

Seit mehr als 25 Jahren ist das Kirchenasyl in Bremen unangetastet geblieben. Warum wurde es auf einmal gebrochen?

SPD-Innensenator Mäurer macht allerorten deutlich, dass er der schützenden Institution des Kirchenasyls den Kampf angesagt hat. Er ist mehr um sein gutes Ansehen bei den CDU/CSU-Hardlinern besorgt, als um die Verständigung mit der solidarischen Stadtgesellschaft und den Kirchengemeinden in Bremen. Menschenrechtliche Erwägungen oder gar die Gefühle und Perspektiven der Betroffenen sind ihm sowieso egal.

Wie konnte die Abschiebung am 3. Dezember erfolgreich verhindert werden?

Wir haben am Abend des 2. Dezember sehr schnell viele Menschen mobilisieren können, zur Zionsgemeinde zu kommen, in der Ayub lebt, um ihm zur Seite zu stehen. Innerhalb von drei Stunden waren knapp 100 solidarische Menschen vor Ort. Ein Großteil hat sich spontan entschlossen, dort mit ihm gemeinsam die Nacht zu verbringen. Als die Polizei um circa 3.30 Uhr anrückte, haben wir uns den Polizeikräften innerhalb des Kirchengebäudes in den Weg gestellt und deutlich gemacht, dass wir sie nicht zu Ayub durchlassen werden. Über die vier Tage, die wir uns in der Kirchengemeinde aufgehalten haben, ist unsere Zahl auf 600 Menschen abends bei den Vollversammlungen angewachsen, jede Nacht haben weit über 200 Menschen dort überall geschlafen – auch im Kirchengebäude selbst. Die Gemeinde hat uns offen und sehr herzlich empfangen. Die Menschen vor Ort waren ein Abbild der Bremer Stadtgesellschaft: Jung und Alt, Menschenrechtsaktivisten, Kirchenmitglieder, von Rassismus Betroffene, Antifaschisten, Konfirmanden, Nachbarn – um nur einige Gruppen aufzuzählen. Wir haben vier Tage lang ein solidarisches Miteinander dort gelebt. Das war eine wichtige und stärkende Erfahrung für alle.

Am vergangenen Sonntag wurde kurzfristig eine Demonstration in Bremen »für den Erhalt des Kirchenasyls und gegen menschenunwürdige Abschiebungen« organisiert. Wie ist diese Demo von der Bremer Stadtgesellschaft aufgenommen worden?

Es sind beeindruckend viele Menschen zu unserer Demo gekommen, am Ende waren wir mehr als 2.000 Menschen – und das bei einer Mobilisierungszeit von nur einem Tag und ausschließlich über Social Media. Die Demo war ein starker Ausdruck der Stadtgesellschaft, die deutlich gemacht hat: Dieser menschenrechtsverletzende Innensenator spricht nicht in unserem Namen!

Das Verwaltungsgericht Bremen hat am Montag im Eilverfahren die Beendigung der »aufenthaltsbeendenden Maßnahmen« angeordnet. Wie geht es jetzt weiter?

Das Verwaltungsgericht Bremen hat im Eilverfahren innerhalb weniger Stunden die Behauptung des Bremer Migrationsamtes, Ayub sei flüchtig gewesen, verworfen. Die Abschiebung aus dem Kirchenasyl wurde dem Amt gerichtlich untersagt.

Wir sind auf die von Innensenator Mäurer bereits angekündigten weiteren Abschiebungen von Schutzsuchenden aus Kirchenräumen gefasst und werden diese mit unserer Entschlossenheit weiter abwehren. Die solidarische Bremer Stadtgesellschaft hat gezeigt, dass sie die permanente rechte Hetze der Mitte, die Bedrohung von Geflüchteten nicht mehr hinnehmen wird. Unser Widerstand und die praktische Solidarität haben Strahlkraft – weit über Bremen hinaus. Das freut uns sehr! Wir hoffen, dass es Menschen an vielen anderen Orten ermutigt, sich zusammenzutun und sich denjenigen in den Weg zu stellen, die die rassistische, menschenrechtsfeindliche Politik der rechten Mitte vorantreiben und ausführen.

Gundula Oerter ist Referentin für Migrationsrecht beim Flüchtlingsrat Bremen

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